Lukas Bärfuss
Lukas Bärfuss wurde 1971 in Thun im Kanton Bern geboren. Nach seinem Schulabschluss arbeitete er u. a. als Buchhändler. Seit 1991 ist er als freier Schriftsteller und Dramaturg tätig. 1998 initiiert er zusammen mit dem Regisseur Samuel Schwarz die bis heute bestehende Künstlergruppe 400asa, welche sowohl auf der Bühne als auch in Film und Radio operiert. In diesem Kollektiv schrieb er mehrere Hörspiele und Stücke, darunter das mit dem Zürcher Kantonalbank Förderpreis prämierte »Medeää« (2000). Nebenbei war er auch für andere Schauspielhäuser als Autor tätig und verfasste »Die Reise von Klaus und Edith durch den Schacht zum Mittelpunkt der Erde« (2001) sowie »Vier Bilder der Liebe« (2002), die beide in Bochum uraufgeführt wurden.
Sein Prosadebüt gab Bärfuss mit der Novelle »Die toten Männer« (2002), die eine durch Freiheitsdrang, Egozentrik und Saturiertheit motivierte Lebensverweigerung eines Buchhändlers beschreibt. Mitunter klingt darin jene aus Georges Perecs »Ein Mann, der schläft« vertraute Selbstnegierung existenzialistischer Prägung an. Zugleich ist die nüchterne Narration durchsetzt von kritischen Untertönen zur Lage des Landes. Das Bühnenstück »Meienbergs Tod« (2001) verwandelt sich mittels diverser Verfremdungseffekte die Bissigkeit eines investigativen Journalisten an und reflektiert nicht nur dessen Leben, Schaffen und Suizid, sondern persifliert auch die Heucheleien des Kulturbetriebs. Das vielfach übersetzte Werk »Die sexuellen Neurosen unserer Eltern« (2003) wurde 2015 nach zahlreichen internationalen Inszenierungen von Stina Werenfels verfilmt. In seinem gefeierten Roman »Hundert Tage« (2008) lässt Bärfuss den naiven Optimismus eines jungen Entwicklungshelfers an der Barbarei des Völkermords in Ruanda zerschellen. In einer aus dichten Sentenzen komponierten Innensicht werden politische Verblendungen entlarvt und für verlässlich gehaltene Moralsysteme erschüttert. »Öl« (2009), mit Nina Hoss in der Hauptrolle am Deutschen Theater in Berlin uraufgeführt, lässt in einem namenlosen Niemandsland Charaktere zwischen Gier und Überdruss aufeinandertreffen. Auf dem schmalen Grat zwischen Sinngebung und Selbstauslöschung forscht der jüngste Roman »Koala« (2014), ausgehend vom Suizid seines Bruders, nach den Marksteinen in der Biografie des Toten und gelangt letztlich vom titelgebenden Spitznamen hin zur Gattungsgeschichte besagter Spezies.
Für sein Schaffen wurde Bärfuss vielfach ausgezeichnet, u. a. als Dramatiker des Jahres bei den Mülheimer Theatertagen (2005), mit dem Anna-Seghers-Preis (2008), dem Mara-Cassens-Preis (2008), dem Hans Fallada-Preis (2010), dem Berliner Literaturpreis (2013), verbunden mit einer Berufung auf die Heiner-Müller-Gastprofessur am Peter-Szondi-Institut der Freien Universität, sowie 2014 mit dem Solothurner Literaturpreis und dem Schweizer Buchpreis für seinen Roman »Koala«. Bärfuss lebt in Zürich.
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2002
Meienbergs Tod / Die sexuellen Neurosen unserer Eltern / Der Bus
Wallstein
Göttingen, 2005
Hundert Tage
Wallstein
Göttingen, 2008
Malaga / Parzival / Zwanzigtausend Seiten
Wallstein
Göttingen, 2012
Koala
Wallstein
Göttingen, 2014