Lika Nüssli
Lika Nüssli, 1973 in Flawil geboren, wuchs in Gossau im ostschweizerischen Kanton St. Gallen auf. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Textildesignerin und studierte anschließend Illustration an der Hochschule für Design und Kunst in Luzern. Seit 2003 ist sie als freischaffende Künstlerin in den Bereichen Zeichnung und Malerei, Performance und Installation tätig.
Sie bebilderte mehrere Kinderbücher, bevor sie mit »Vergiss dich nicht« [2018] ihre erste Graphic Novel vorlegte. Ausgangspunkt hierfür waren Lika Nüsslis Besuche im Heim ihrer an Demenz erkrankten Mutter. Immer wieder ins Surreale kippend, fangen die Zeichnungen den Alltag im Heim ein, halten absurde Dialoge fest, erzählen die Geschichten der Bewohner:innen und der überwiegend migrantischen Pfleger:innen – »ein Buch über das Paralleluniversum der Selbst- und Weltvergessenheit in der Demenz. Eine in Bildern erzählte Geschichte über die neue Form von Nähe einerseits – und andererseits über das Verblassen des Lebens«, so das »Tagblatt«.
In ihrer zweiten Graphic Novel »Starkes Ding« [2022] greift Lika Nüssli die Kindheitserlebnisse ihres Vaters auf und beleuchtet damit ein dunkles Kapitel der Schweizer Geschichte: Ernst Nüssli, ein Bauernsohn, musste in den 1950er-Jahren als sogenannter Verdingbub mehrere Jahre lang auf dem Hof einer fremden Familie arbeiten – eine ausbeuterische Praxis, die oftmals auch mit Misshandlungen einherging. Lika Nüssli erzählt die Geschichte aus der Perspektive des zu Beginn knapp Zwölfjährigen, der beweisen will, wie stark er ist und was er alles schaffen kann. Skizzenhafte, roh gezeichnete Szenen mit Figuren im Comicstil wechseln sich ab mit feinen Landschaftszeichnungen und albtraumhaften, ins Fantastische spielenden Szenen, welche die traumatischen Ereignisse bei der fremden Familie illustrieren. Stilistisch hat sich die Künstlerin für den Band u. a. von der Senntumsmalerei inspirieren lassen, einer regionalen Form der Bauernmalerei. »In einfühlsam und gleichzeitig humorvoll komponierten Szenen nähert sich Lika Nüssli der Vergangenheit ihres Vaters und lenkt dabei den Blick auf eine bemerkenswerte Fähigkeit – durch Momente des Miteinanders und im Kontakt mit der Natur schwierige Lebenssituationen zu überstehen«, hob die »taz« hervor.
Für ihr zeichnerisches Werk wurde Lika Nüssli mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Comicstipendium der Deutschschweizer Städte und dem Comic-Werkbeitrag von Pro Helvetia. Sie ist Mitherausgeberin des Comic-Magazins »Strapazin«, gibt Zeichenkurse im Kunstmuseum St. Gallen und unterrichtet Illustration im Propädeutikum der dortigen Schule für Gestaltung. 2022 widmete das Cartoonmuseum Basel ihr eine Retrospektive. Lika Nüssli lebt in St. Gallen.
Stand: 2022
Vergiss dich nicht
Vexer
St. Gallen/Berlin, 2018
Starkes Ding
Edition Moderne
Zürich, 2022