Leïla Sebbar
- Algerien, Frankreich
- Zu Gast beim ilb: 2009
Leïla Sebbar kam 1941 in Aflou (Algerien) als Tochter eines algerisch-französischen Lehrerehepaars zur Welt, ging 1961 nach Aix-en-Provence, studierte Literaturwissenschaft, arbeitete als Französischlehrerin in Paris und schrieb für diverse Zeitschriften, u. a. »Sans Frontières« und »Le Magazine littéraire«. Sie ist stark vom französischen Feminismus geprägt, lancierte die alternative Frauenzeitschrift »Histoires d’elles« (1976−1980) und verfasste mehrere Essays zu Frauenfragen. Seit ihrer Studie zum »guten Neger« in der französischen Kolonialliteratur des 18. Jahrhunderts, von Sartre in »Les Temps Modernes« publiziert, lässt das Motiv der Begegnung, der Konfrontation von Selbst- und Fremdbild sie nicht mehr los.
Bereits in ihrer ersten Erzählung, »Fatima ou Les Algériennes au square« (1981; Ü: Fatima oder Die Algerierinnen vom Platz) kristallisiert sich die Migrations- und Exilproblematik heraus, die ihr umfangreiches literarisches Œuvre dominiert. Mit der »Shérazade-Trilogie« (1982−1992) wurde sie zur Pionierin der neu entstehenden »Beur«-Literatur, der Literatur der zweiten maghrebinischen Migrantengeneration. Im Mittelpunkt: Shérazade, die junge algerische Ausreißerin, auf der Flucht aus der tristen Pariser Immigranten-Banlieue und auf der Suche nach den Konturen ihrer west-östlichen Identität. Stationen ihrer geografisch-literarischen Streifzüge sind die französische Multikulti-Szene, der legendäre Sternmarsch der »Beurs« vom Dezember 1983 nach Paris sowie Beirut und Jerusalem, Bibliotheken und Museen. Der Reportage-Charakter, der lebendige Sprachduktus, das vielstimmig Impressionistische und das Motiv der Evasion sind zentrale Momente jener »Ästhetik des Exils«, die Sebbars Romane und Erzählungen ebenso prägt wie ihre Reisenotizen und Tagebuchskizzen, die neuerdings online erscheinen (»Voyage en Algéries autour de ma chambre«, Suite 3−6, 2008/2009). Als »Kollektivautobiografie« bezeichnet sie die von ihr herausgegebenen Erzählbände, oft zu Themen franko-algerischer Kolonialgeschichte, u. a. »Une enfance algérienne« (1997; Ü: Eine algerische Kindheit), in denen es um Blick- und Perspektivwechsel in der algerisch-französischen Gedächtnisarbeit geht.
Nicht minder wichtig in Sebbars Werk sind die Motive der Sprache und Sprachlosigkeit. In ihrem jüngsten Roman, »Mon Cher fils « (2009; Ü: Mein lieber Sohn), in dem ein gealterter Emigrant nach Algier zurückkehrt und einer jungen öffentlichen Schreiberin täglich Briefe an den verlorenen Sohn diktiert, thematisiert sie die Kommunikationsarmut innerhalb maghrebinischer Migrantenfamilien.
Für ihren Roman »Le silence des rives« (1993; Ü: Das Schweigen der Ufer) erhielt sie den Prix Kateb Yacine. Sie lebt seit 1963 in Paris.
© internationales literaturfestival berlin
Shérazade, 17 ans, brune,
frisée, les yeux verts
Stock,
Paris, 1982
Das verbotene Kleid
Altberliner Verlag
Berlin, 1996
Je ne parle pas la langue
de mon père
Julliard
Paris, 2003
L’arabe comme
un chant secret
Bleu autour
Paris, 2007
Shérazade à Julien
Les Cahiers bleus
Paris, 2008
Mon cher fils
Elyzad
Tunis, 2009