Hervé Le Tellier
- Frankreich
- Zu Gast beim ilb: 2021
Hervé Le Tellier wurde 1957 in Paris geboren. Der studierte Mathematiker und Sprachwissenschaftler ist seit Beginn der neunziger Jahre als Autor von Romanen, Erzählungen, Gedichten und Kolumnen tätig. Seit 1992 ist er Mitglied der von François Le Lionnais und Raymond Queneau gegründeten Autorengruppe Oulipo (Ouvroir de Littérature Potentielle), seit 2019 ist er deren Präsident.
»Ein typischer Le Tellier ist ein Le Tellier, der dem vorherigen Le Tellier nicht gleicht«, so der Übersetzer Jürgen Ritte im Interview mit Deutschlandfunk Kultur über das circa dreißig Bücher umfassende Werk des französischen Autors. Die bisher in deutscher Übersetzung erschienenen Titel geben Einblick in die Breite seines Schaffens. So spielt der Beziehungsroman »Assez parlé d’amour« (2009; dt. »Kein Wort mehr über Liebe«, 2011) im Pariser Intellektuellenmilieu. Im Mittelpunkt stehen zwei Ehepaare um die vierzig, denen es scheinbar an nichts mangelt. Doch als die Ehefrauen sich neu verlieben, beginnt die Fassade zu bröckeln. »Eléctrico W.« (2011; dt. »Neun Tage in Lissabon«, 2013) folgt einem französischen Journalisten in die portugiesische Hauptstadt, wo er die Jugendliebe seines Kollegen António aufzuspüren versucht. Zwischen unterschiedlichen Tonarten wechselnd – mal komisch, mal tragisch –, ist der Roman reich an literarischen Anspielungen. In »Moi et François Mitterrand« (2016; dt. »Ich und der Präsident«, 2017) schreibt ein Erzähler namens Le Tellier Briefe an den französischen Präsidenten – nach Mitterrand auch an Chirac, Sarkozy, Hollande und Macron. Dass er jeweils nur eine Standardantwort erhält, nimmt ihm nicht den Wind aus den Segeln. »Das Buch ist ein so subtiles wie unterhaltsames Lesevergnügen«, urteilte die »Süddeutsche Zeitung«. In dem autobiografischen Roman »Toutes les familles heureuses«, (2017; dt. »All die glücklichen Familien«, 2018) blickt Le Tellier auf seine eigene Familie, von der er sich längst gelöst hat. Die intrigante Mutter, der bloß »Erzeuger« genannte Vater, der geizige Stiefvater, die männermordende Tante: »Hervé Le Tellier zeichnet mit hintersinnigem Humor in geistreich plaudernden Kapiteln ebenso eingängige wie lebendige Personenporträts. Zugleich eröffnet er Einblicke in die französische Gesellschafts- und Mentalitätsgeschichte der letzten siebzig Jahre«, so die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«. Für seinen zuletzt erschienenen Roman »L’anomalie« (2020; dt. »Die Anomalie«, 2021) wurde Le Tellier mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet, dem wichtigsten Literaturpreis Frankreichs. Startpunkt der Handlung: Ein Flugzeug gerät in Turbulenzen, die in den normalen Ablauf der Zeit eingreifen. Dadurch bekommt jede*r Passagier*in – darunter ein Auftragskiller, ein Schriftsteller, ein Popstar und eine Anwältin – eine*n Doppelgänger*in. Le Tellier geht den einzelnen Geschichten der Passagier*innen nach.
Hervé Le Tellier lebt in Paris.
Kein Wort mehr über Liebe
dtv
München, 2011
[Ü: Jürgen u. Romy Ritte]
Neun Tage in Lissabon
dtv
München, 2013
[Ü: Jürgen u. Romy Ritte]
Ich und der Präsident
dtv
München, 2017
[Ü: Jürgen u. Romy Ritte]
All die glücklichen Familien
dtv
München, 2018
[Ü: Jürgen u. Romy Ritte]
Die Anomalie
Rowohlt
Hamburg, 2021
[Ü: Romy Ritte]