László Krasznahorkai
László Krasznahorkai wurde 1954 im ungarischen Gyula geboren. Er studierte Jura in Szeged, später Hungaristik in Budapest. Mit »Sátántangó« (1985; dt. »Satanstango«, 1990) legte er seinen Debütroman vor, der – nach seinem Drehbuch – 1994 von Béla Tarr verfilmt wurde. Aus der Zusammenarbeit zwischen Autor und Regisseur entstanden vier weitere Verfilmungen von Krasznahorkais Romanen sowie aus seiner Kurzprosa »Das Turiner Pferd«, den Tarr zu seinem letzten Film erklärte.
Krasznahorkai entwirft in seinen Werken eine Welt ohne klassische Helden. Die Protagonisten handeln wie Marionetten, deren Schnüre irgendwo im Dunkeln zusammenlaufen. Es sind tiefgründige Einzelgänger und rastlose Ausreißer. Kafka scheint nicht nur für jenen Menschentypus Pate gestanden zu haben, sondern auch für die stilistische Konsequenz und albtraumhafte Geschlossenheit der Romane. Als den »großen Lichtausmacher am Ende des Jahrtausends« bezeichnete die »Süddeutsche Zeitung« Krasznahorkai nach der Veröffentlichung seines Romans »Háború és háború« (1999; dt. »Krieg und Krieg«, 1999). Der Oberarchivaranwärter Korin unternimmt eine Reise aus der heimatlichen Provinzstadt nach New York, um dort, im »Zentrum des Lebens«, zu sterben. Dabei streift er auf vielen Stationen die Vergangenheit des Abendlandes, von Kreta und Rom bis hin zu den Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen. Überall findet er neue Strophen für seinen Abgesang, und nur der Gedanke an ein in seinen Mantel eingenähtes Manuskript lässt ihn hoffen, dass die Reise einen Sinn hat. Krasznahorkais Roman »Eszakról hegy, Délről tó, Nyugatról utak, Keletről folyó« (2003; dt. »Im Norden ein Berg, im Süden ein See, im Westen Wege, im Osten ein Fluß«, 2005) spielt in Japan. Hier verschwimmen Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Transzendenz, um den Leser zusammen mit dem Enkel des Prinzen Genji – einer historischen Romanfigur – zum »schönsten Garten« zu führen, einem Zwischenreich der Meditation und Literatur. Krasznahorkais Erzählband »Seiobos auf Erden« (2010), der im Titel auf eine japanische Göttin anspielt, begibt sich auf die Suche nach Vollkommenheit und Schönheit. »Megy a világ« (2013; dt. »Die Welt voran«, 2015) ist eine Sammlung von 21 kurzen Prosastücken, die mit ausdrucksstarken Bildern und einer musikalischen Sprache die Orientierungslosigkeit des modernen Menschen thematisieren. Für den Foto-Essay-Band »The Manhattan Project« (2017) begab sich Krasznahorkai zusammen mit dem Fotografen Ornan Rotem in New York auf die Spuren von Herman Melville, dessen Schicksal ihn zu einem neuen Roman inspirierte.
Krasznahorkai wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, u. a. dem Tibor-Déry-Preis, dem Bestenliste-Preis des SWR, dem Kossuth- und dem Sándor-Márai-Preis, dem »Brücke Berlin«- und dem Spycher-Preis, dem Man Booker International Prize 2015 sowie dem National Book Award 2019 for Translated Literature. 2021 erhielt er zudem den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur. Der Autor lebt in Triest.
Rowohlt
Reinbek, 1990
[Ü: Hans Skirecki]
Melancholie des Widerstandes
Ammann
Zürich, 1992
[Ü: Hans Skirecki]
Krieg und Krieg
Ammann
Zürich, 1999
[Ü: Hans Skirecki]
Im Norden ein Berg, im Süden ein See, im Westen Wege, im Osten ein Fluß
Ammann
Zürich, 2005
[Ü: Christina Viragh]
Seiobo auf Erden
S. Fischer
Frankfurt a. M., 2010
[Ü: Heike Flemming]
Die Welt voran
S. Fischer
Frankfurt a. M., 2015
[Ü: Heike Flemming]
The Manhattan Project
Sylph
London, 2017