Artur Klinau
Artur Klinaŭ wurde 1965 in Minsk geboren. Während seines Architekturstudiums, das er 1987 abschloss, wandte er sich der Kunst zu. 1998 wurde er Vorsitzender der Belarus Association of Contemporary Art, seit 2001 ist er Herausgeber und Chefredakteur der auf Belarussisch und Englisch erscheinenden Zeitschrift »pARTisan«, des einzigen Magazins über zeitgenössische weißrussische Kultur. Wichtige Texte daraus erschienen 2014 auf Deutsch unter dem Titel »PARTISANEN. Kultur_Macht_Belarus«.
Klinaŭ hat sich für eine Europa-Orientierung seines Landes ausgesprochen und steht der Regierung von Alexander Lukaschenko kritisch gegenüber. Ausgehend von seinem Essay zum Fotoalbum »Horad SONca. Vizual’naja paėma pra Minsk« (Ü: Sonnenstadt. Visuelles Poem über Minsk) schrieb er 2006 im Auftrag des Suhrkamp Verlags »Putevoditel’ po gorodu solnca« (dt. »Minsk. Sonnenstadt der Träume«). Der Titel spielt auf »La città del Sole« des italienischen Philosophen und Politikers Tommaso Campanella (1568–1639) an, formal ist das Buch eine Art Reiseführer mit autobiografischen Zügen. Klinaŭ präsentiert das Zentrum der belarussischen Hauptstadt, deren Straßenbild die Gebäude der dreißiger bis fünfziger Jahre im stalinistischen Stil prägen, wagt aber auch einen Blick in die Hinterhöfe. Auf seinem virtuellen Spaziergang thematisiert er außerdem die belarussische Geschichte, vom Großfürstentum Litauen über die Sowjetzeit bis zur Gegenwart, und hebt die vielfache Zerstörung und Neuerrichtung von Minsk hervor: »Nach jedem Tod stand die Stadt nicht in Fortsetzung der Tradition wieder auf, sondern als vollkommen andere Stadt, die nichts mehr mit der vorangegangenen gemein hatte, weder in der Ästhetik noch in der Alltagswelt, der Mythologie ihrer Bewohner.« 2010 erschien Klinaŭs erster Roman »Šalom« (dt. »Schalom. Ein Schelmenroman«, 2015) über einen mittellosen Trinker und Künstler, der sich auf große Fahrt von Bonn über Berlin, Warschau und Minsk bis nach Mogiljow im belarussischen Osten begibt. Um die angepassten Kleingeister zu provozieren, setzt er sich eine preußische Pickelhaube auf (das Wort »šalom« bedeutet im Belarussischen »Kriegerhelm«), und trifft im Verlauf seines Roadtrips auf allerlei reale und fantastisch-skurrile Gestalten. Klinaŭ treibt nicht nur seinen Spott mit der Kunstszene, sondern schreibt auch auf unterhaltsame Weise über die gegenseitigen Vorurteile und Erwartungshaltungen in Ost und West. Klinaŭs zweiter Roman »Šklatara« (2013; Ü: Altglas) knüpft an den Vorgängertext an und erzählt eine Dreiecks-Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der Ereignisse auf dem Minsker Kastryčnickaja-Platz nach den Präsidentschaftswahlen im März 2006.
Auf der 54. Internationalen Biennale in Venedig 2012 vertrat Klinaŭ Belarus mit seiner Arbeit »The Last Supper«. Seit 2009 arbeitet er außerdem als Artdirector und Drehbuchautor für verschiedene belarussische Mystikthriller. Er lebt in Minsk.
Vizual’naja paėma pra Minsk
Minsk
Lohvinaŭ, 2006
Minsk
Sonnenstadt der Träume
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2006
[Ü: Volker Weichsel]
Šklatara
Minsk
Lohvinaŭ, 2013
PARTISANEN
Kultur_Macht_Belarus
[Hg. Taciana Arcimovič u. a.]
Berlin
edition.fotoTAPETA, 2014
Schalom
Ein Schelmenroman
Berlin
edition.fotoTAPETA, 2015
[Ü: Thomas Weiler]