Katharina Hacker
- Deutschland
- Zu Gast beim ilb: 2007, 2009, 2015
Katharina Hacker wurde 1967 in Frankfurt/M. geboren. Sie studierte aus Interesse für moderne jüdische Denker wie Gershom Scholem und Theodor W. Adorno Judaistik, daneben Philosophie und Geschichte. Ihr Studium an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg setzte sie 1990 an der Hebräischen Universität in Jerusalem fort und blieb sechs Jahre in Israel, wo sie Deutsch unterrichtete und an der School for Cultural Studies in Tel Aviv lehrte. Eine hier begonnene Beschreibung der Stadt in Prosaskizzen, »Tel Aviv« (1997), wurde ihr literarisches Debüt. Es erschien ein Jahr, nachdem sich Hacker als freie Schriftstellerin und Übersetzerin aus dem Hebräischen in Berlin niedergelassen hatte.
Nach zwei weiteren kürzeren Erzählbänden und zwei Romanen wurde Hacker mit »Die Habenichtse« (2006) auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt, als ihr der Deutsche Buchpreis verliehen wurde. Der Roman erzählt von einem jung verheirateten Paar, das frei von finanziellen Sorgen ein laues, unbefriedigendes Leben führt und entscheidungsschwach darin verharrt. Während sich beide von der abstrakten Gefährdung des islamistischen Terrorismus nach dem 11. September bedroht fühlen und sich gleichzeitig in persönliche Obsessionen verstricken, stehen sie dem Elend ihrer Nachbarn, einer sozial schwachen Familie, in ungeschickter Hilflosigkeit gegenüber. Erst als ihre eigenen Lebensumstände sich dramatisch zuspitzen, scheint die Neuordnung des gemeinsamen Lebens möglich.
Hackers sorgfältig gewählte Sprache baut in dem distanziert geschilderten Handlungsverlauf eine mit Angst vor dräuenden Katastrophen und großen Gefühlen gesättigte Spannung auf, die unvermindert anhält. »In einer flirrenden, atmosphärisch dichten Sprache führt Katharina Hacker ihre Helden durch Geschichtsräume und in Problemfelder der unmittelbarsten Gegenwart«, kommentierte die Jury des Deutschen Buchpreises ihre Entscheidung. Die Auseinandersetzung mit Geschichte und deren Aktualisierung in der gegenwärtigen Lebenswirklichkeit zieht sich durch das gesamte Werk der Autorin.
Die Erzählungen »Morpheus oder Der Schnabelschuh« (1998) zeigen mythische Figuren der griechischen Antike in zeitgenössischer Umgebung. Der Roman »Der Bademeister« (2000) zeichnet in einem fulminanten Monolog eine Persönlichkeit, die in den zwei deutschen Diktaturen allmählich erstarrt und schließlich zerbricht. Eine von Saul Friedländers Erinnerungen inspirierte Geschichte entwickelt Hacker in »Eine Art Liebe« (2003). Der Roman erzählt von einer unverbrüchlichen, doch von Schuldgefühlen beladenen Freundschaft zwischen einem Juden, der den Holocaust im Versteck einer französischen Klosterschule überlebte, und seinem Mitschüler. 2007 erschien die Prosagedicht-Sammlung »Überlandleitung«. Ihr neuer Roman »Alix, Anton und die anderen«, der im Oktober 2009 erscheint, spielt in Berlin.
Hacker war 2005 Stadtschreiberin in Bergen-Enkheim und erhielt neben dem Deutschen Buchpreis 2006 auch den d.lit-Literaturpreis. Die Mutter einer kleinen Tochter lebt in Berlin.
© internationales literaturfestival berlin
Tel Aviv
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 1997
Morpheus oder Der Schnabelschuh
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 1998
Skizze über meine Grossmutter
Dielmann
Frankfurt/Main,1999
Der Bademeister
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 2000
Eine Art Liebe
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 2003
Die Habenichtse
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 2006
Überlandleitung
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 2007
Alix, Anton und die anderen
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 2009