Katarina Frostenson
- Schweden
- Zu Gast beim ilb: 2005
Katarina Frostenson wurde 1953 im schwedischen Brännkyrka geboren. Im nahegelegenen Stockholm studierte sie Literatur-, Film- und Theaterwissenschaft und gehört zu den bedeutendsten europäischen Lyrikerinnen der Gegenwart. Sie debütierte 1978 und wurde mit dem Nachfolgeband »Rena land« (1980; Ü: Reines Land) bekannt.
Frostensons hermetische Poesie trat von Anfang an mit einem ganz eigenen lyrischen Ton auf. Dieser wurde als Form weiblichen Schreibens verstanden, das sich jeglicher Konvention und Tradition entzieht und ganz neue Wege einschlägt. Charakteristisch zeigt sich dieser Zug schon in der Typografie der Gedichte, die bisweilen ungewohnte Leerräume und Lücken aufweisen, ohne jedoch – wie die konkrete Poesie – auf den visuellen Effekt abzuzielen. Die Worte sind nicht zu vollständigen Sätzen gefügt und in bestimmte semantische Kontexte eingeordnet, sondern gemäß ihrer Lautlichkeit und Materialität kombiniert, wobei Pausen im Rhythmus ebenso ihren Platz haben wie Dissonanzen neben den Harmonien. Frostensons deutsche Übersetzerin Verena Reichel verweist auf die besondere Rolle der Lautlichkeit: »Die Stimme ist für die Lyrikerin und Dramatikerin Katarina Frostenson ein durchaus fremdes Wesen, das ganz für sich existiert. Ihre Gedichte führen eine eigene Rede. Die Artikulation mit Lautbild, Tempo und Rhythmus, mit den Pausen dazwischen, dem Ausschwingen und Wiederanheben, erhält eine besondere Rolle als poetisches Medium.« Das Gedicht verweigert sich seiner Abbildfunktion nicht nur auf der Ebene der Dinge, sondern auch auf der Ebene der Emotionen, wie die Dichterin betont: »Wenn ich schreibe, habe ich ein starkes, fast vernichtendes Gefühl, dass alle Ordnung von der äußeren Wirklichkeit und nichts mehr von innen kommt.« In den neunziger Jahren nahm Frostenson die abrupte Zerstückelung von Satzteilen etwas zurück und integrierte verstärkt Anspielungen auf Sagen, Mythen und Lieder. 1994 erschien ihr Gedichtband »Tankarna« (Ü: Gefäße/Gedanken), der in einer leicht veränderten Fassung unter dem deutschen Titel »Die in den Landschaften verschwunden sind« (1999) veröffentlicht wurde. Wortsequenzen vor allem aus dem Bedeutungsbereich der Natur und des Körpers ergeben faszinierende und mitunter verstörende Effekte.
In ihrer genuin lyrischen Art der Komposition entwickelte Frostenson die Form des »Monodramas«, einer monologhaften Wortcollage, für Bühne und Hörfunk. In jüngerer Zeit verfasste sie neben lyrischer Prosa auch lyrische Theaterstücke. In »Sal P« (1995; Ü: Saal P) – der Titel spielt auf die berühmte Pariser Nervenklinik »Salpetrière« an – befasst sie sich mit der (männlichen) Entdeckung der (weiblichen) Hysterie. 1998 wurde ihre Oper »Staden« (Ü: Die Stadt) mit der Musik von Sven-David Sandström aufgeführt. Frostenson, die auch aus dem Französischen übersetzte (z.B. Duras und Bataille), wurde für ihre Werke mit dem Bellman-Preis (1994) und dem Henrik-Steffens-Preis 2004 der Alfred Toepfer Stiftung ausgezeichnet. 1992 wurde sie als jüngstes Mitglied und fünfte Frau in die Schwedische Akademie gewählt. Sie lebt in Schweden.
© internationales literaturfestival berlin
Tankarna
Wahlström & Widstrand
Stockholm, 1994
Vägen till öarna
Wahlström & Widstrand
Stockholm, 1996
Staden
Wahlström & Widstrand
Stockholm, 1998
Die in den Landschaften verschwunden sind
Hanser
München, Wien, 1999
[Ü: Verena Reichel]
Korallen
Wahlström & Widstrand
Stockholm, 1999
Kristallvägen. Safirgränd
Wahlström & Widstrand
Stockholm, 2000
Endura [mit Jean-Claude Arnault]
Wahlström & Widstrand
Stockholm, 2002
Karkas
Wahlström & Widstrand
Stockholm, 2004
Übersetzer: Verena Reichel