Karl Schlögel
- Deutschland
- Zu Gast beim ilb: 2003, 2004, 2012, 2014
Karl Schlögel wurde 1948 im schwäbischen Hawangen bei Memmingen geboren. Nach dem Zivildienst studierte er ab 1969 Philosophie, Geschichte, Soziologie und Slawistik an der FU Berlin mit zahlreichen Forschungsaufenthalten an den Universitäten in Moskau und Sankt Petersburg. 1981 promovierte er über Arbeiterkonflikte in der poststalinistischen Sowjetunion. Aus akademischer Sicht darf Schlögels Werdegang als ungewöhnlich gelten. So arbeitete er zunächst jahrelang als freier Autor und Übersetzer, schrieb u. a. Beiträge für zahlreiche Tages- und Wochenzeitungen und ließ derweil offen, ob er seine Forschungstätigkeit universitär oder schriftstellerisch weiterverfolgen würde. Letztlich kombinierte er beide Professionen, die des historisch-analytischen Autors und jene des Hochschuldozenten. 1990 folgte er dem Ruf auf den Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte an der Universität Konstanz. In derselben Fachrichtung ist Schlögel seit 1994 Professor an der 1991 in Frankfurt (Oder) gegründeten Europa-Universität Viadrina, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Zusammenwachsen europäischer Nachbarn mitzugestalten und international auszubilden.
»Historiker sein, das heißt, Geschichte erzählen und Geschichte schreiben zu können«, bemerkte Schloegel in einem Gespräch mit Hermann Horstkotte. Dass er in dieser Disziplin äußerst befähigt ist, hat er in seinen eindrucksvollen Auseinandersetzungen mit dem östlichen Europa und insbesondere mit Russland bewiesen, u. a. mit »Die Mitte liegt ostwärts. Europa im Übergang« (1986, Neuaufl. 2002), »Marjampole. Europas Wiederkehr aus dem Geist der Städte« (2005) und »Das russische Berlin. Ostbahnhof Europas« (2007). Dabei stützt Schlögel sich nicht allein auf recherchierte Fakten, sondern bringt ebenso eigene Alltagsbeobachtungen mit ein, wie zum Beispiel in seinem glänzenden Stadtporträt »Moskau lesen« (1984), dessen Neuauflage von 2011 die Umbrüche der letzten Jahrzehnte dokumentiert und reflektiert. In »Terror und Traum. Moskau 1937« (2008) beschäftigt er sich abermals mit der Metropole, fokussiert jedoch den Blick auf den Höhepunkt der stalinistischen Diktatur. Schlögel ist jedoch nicht ausschließlich Chronist; ebenso stellte er sich theoretischen Problemen der Geschichtsschreibung und formulierte seinen eigenen methodischen Ansatz »Im Raume lesen wir die Zeit« (2003), der zentral für das Verständnis seines Werks ist.
Für seine historiografischen wie essayistischen Werke wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Europäischen Essaypreis Charles Veillon (1990), dem Anna-Krüger-Preis des Wissenschaftskollegs zu Berlin (1999), dem Sigmund-Freud-Preis für Wissenschaftsprosa (2004), dem Leipziger Buchpreis zur europäischen Verständigung (2009) und zuletzt mit dem Hoffmann-von-Fallersleben-Preis für zeitkritische Literatur (2012). Schlögel lebt in Berlin.
© internationales literaturfestival berlin
Die Mitte liegt ostwärts
Europa im Übergang
Hanser
München, 2002
Im Raume lesen wir die Zeit
Über Zivilisationsgeschichte und Geopolitik
Hanser
München, 2003
Planet der Nomaden
Hanser
Berlin, 2006
Das russische Berlin
Ostbahnhof Europas
Hanser
München, 2007
Terror und Traum
Moskau 1937
Hanser
München, 2008
Grenzland Europa
Unterwegs auf einem Kontinent
Hanser
München, 2013