Karine Tuil
- Frankreich
- Zu Gast beim ilb: 2014
Karine Tuil wurde 1972 in Paris geboren. An der dortigen Université Panthéon-Assas studierte sie Jura mit einem Schwerpunkt auf Medienrecht sowie Informationswissenschaft. In ihrer Dissertation setzte sie sich u. a. mit gesetzlichen Bestimmungen bei politischen Kampagnen auseinander.In ihrem literarischen Debüt »Pour le pire« (2000; Ü: Zum Schlimmeren) sezierte sie eine in Hass umgeschlagene Liebesbeziehung anhand des ausschweifenden Briefs eines verbitterten Arztes. Zusammen mit ihren folgenden Romanen »Interdit« (2001; dt. »Der Rabbi und die Braut«, 2005) und »Du sexe féminin« (2002; dt. »Schaumhochzeit«, 2003) bildet jener Erstling eine Trilogie jüdischer Familiengeschichten. Erzählt »Quand j’étais drôle« (2005; Ü: Als ich witzig war) auf tragikomische Weise von einem in die USA ausgewanderten TV-Komiker, nimmt sich »Douce France« (2007; Ü: Liebliches Frankreich) geradezu naturalistisch der bürokratischen Abgründe der Asylpolitik an. Tuils bereits neunter, breit angelegter Roman »L’Invention de nos vies« (2013; dt. »Die Gierigen«, 2014) entlarvt die individuellen Lebenslügen ehemaliger Studienfreunde. Als die mit Samuel verbandelte Nina eine Affäre mit Samir beginnt, zerbricht die gemeinsame Freundschaft. Ehrgeizig beendet Samir mit Bestnoten als Einziger der drei das Jurastudium, sieht sich allerdings infolge der fortwährenden Ablehnungen seiner Bewerbungen wegen seiner Herkunft aus der Banlieue und des muslimischen Glaubens diskriminiert. Er beschließt, seinen Namen anglisierend zu »Sam« zu verkürzen, und bedient sich darüber hinaus der Biografie Samuels. Von Samirs Aufstieg zum Staranwalt in New York erfahren Samuel und Nina, noch immer liiert und inzwischen in einer maroden Trabantenstadt von Paris wohnend, erst zwanzig Jahre später. Ein forciertes Wiedersehen hat jedoch verhängnisvolle Konsequenzen für die auf Maskerade und Selbsttäuschung basierenden Existenzen. Als sich Nina erneut auf ein Verhältnis mit Samir einlässt, bekommt sie bald die Leere und Ziellosigkeit dieser Liebschaft zu spüren. Unterdessen drohen Samirs Lügen seine Karriere und seine Ehe zu demontieren, während Samuel, von Eifersucht zerfressen und seiner Arbeit als Sozialpädagoge überdrüssig, schließlich seine schriftstellerischen Aspirationen verwirklicht. In Fußnoten komprimiert Tuil die Lebensläufe und Ambitionen beiläufig erwähnter Figuren. Feinsinnig und mit subtiler Ironie wird dergestalt die Dreiecksgeschichte eingebettet in ein durch prägnante Charakterisierungen bestechendes Panoptikum von verpassten Chancen, Schlüsselerlebnissen und unrealisierten Träumen.Tuil wurde u. a. mit dem Prix Wizo sowie einem Stipendium der Bourse Stendhal ausgezeichnet und war wiederholt für den Prix Goncourt, den Prix Goncourt des Lycéens sowie den Prix Interallié und den Prix de Flore nominiert. Sie verfasste außerdem die Bühnenstücke »Entre nous« und »La Quarantaine« und wirkte als Drehbuchautorin und Journalistin. Ihr Spielfilmdebüt ist derzeit in Vorbereitung. Tuil lebt in Paris.
Schaumhochzeit
Gustav KiepenheuerLeipzig, 2003[Ü: Ralf Pannowitsch]
Der Rabbi und die Braut
AufbauBerlin, 2005[Ü: Ralf Pannowitsch]
La Domination
Éditions GrassetParis, 2008
Six mois, six jours
Éditions GrassetParis, 2010
Die Gierigen
AufbauBerlin, 2014[Ü: Maja Ueberle-Pfaff]
www.karinetuil.com