Judith Vanistendael
- Belgien
- Zu Gast beim ilb: 2012, 2014, 2020
Judith Vanistendael wurde 1974 im flämischen Leuven geboren. Sie studierte Kunst in Berlin, Gent und Sevilla und besuchte die Comicschule Sint-Lukas in Brüssel, wo sie inzwischen auch selbst als Dozentin tätig ist.
Sie illustrierte Kinderbücher und verfasste eine Reihe von kürzeren Comics, bevor sie schließlich ihr zweiteiliges Debüt »De Maagd en de Neger« (2007; dt. »Kafka für Afrikaner – Sofie und der schwarze Mann«, 2011) vorlegte, das gleichzeitig ihre universitäre Abschlussarbeit war. Darin schildert Vanistendael die autobiografisch geprägte Liebesgeschichte zwischen der Belgierin Sofie und Abou, einem politischen Flüchtling aus Togo. In schlichten Schwarz-Weiß-Zeichnungen und pointiert-ironischen Dialogen erzählt sie von Vorurteilen und einer kafkaesk anmutenden Bürokratie, mit der das junge Paar aufgrund der Abou vorenthaltenen Aufenthaltserlaubnis konfrontiert ist. Vanistendaels Vater, der Schriftsteller Geert Vanistendael, hatte die tatsächliche Begebenheit bereits in einer Erzählung verarbeitet. In gewisser Weise habe sie sich mit ihrem Comic-Roman auch ihre eigene Geschichte wieder zurückerobert, sagte sie in einem Interview. Für dieses Erstlingswerk wurde sie 2008 und 2009 beim Festival International de la Bande Dessinée d’Angoulême u. a. für den Grand Prix nominiert. Ihr Band »Toen David zijn stem verloor« (2012; dt. »Als David seine Stimme verlor«, 2014) ist ein rührendes Familienporträt, in dem beim titelgebenden Protagonisten eine Krebserkrankung diagnostiziert wird und ihm wenig Überlebenschancen eingeräumt werden. Das Buch wurde von der internationalen Kritik abermals enthusiastisch aufgenommen. So schrieb der »Guardian«: »[Es] ist ein Buch voller unerwarteter Tröstungen und eine wertvolle Ergänzung des Kanons grafischer Juwelen.« Im Vergleich zum Vorgängerband illustriert Vanistendael hier erstmals in Farbe, wobei gerade die nächtlichen Szenen eine besonders nuancierte Koloration aufweisen. Individuell und lebensnah beweist Vanistendael, dass das Medium der Graphic Novel auch in der Darstellung komplexer Gefühle anderen narrativen Kunstformen in nichts nachsteht. Neben ihren eigenen Comic-Erzählungen hat Vanistendael zusammen mit dem Autor Michael de Cock auch die mehrbändige Kinderbuchreihe »Rosie und Moussa« erarbeitet. Außerdem illustrierte sie »Mikel« (2016; dt. »Mikel: Die Geschichte des Bonbonverkäufers, der im Regen verschwand«, 2016) von Mark Bellido – die Geschichte eines andalusischen Idealisten, der ins Baskenland zieht und sich als Leibwächter bei Politikern verdingt, um sie vor der ETA zu schützen. Vanistendaels jüngste Graphic Novel »Penelope« (2019) erzählt von einer Chirurgin, die in Syrien Leben rettet, während ihre Tochter zu Hause mit der Pubertät zu kämpfen hat. In der Realität des grausamen Kriegs wird es für sie immer schwieriger, ihre Berufung mit ihrer Familie in Einklang zu bringen.
Vanistendael lebt in Brüssel.
Kafka für Afrikaner
Sofie und der schwarze Mann
Reprodukt
Berlin, 2011
[Ü: Andrea Kluitmann]
Een voettocht naar Santiago de Compostella
De Bezige Bij
Amsterdam, 2012
Lucille Kabaal
[Mit Conz]
Oog & Blik/De Bezige Bij
Amsterdam, 2012
Als David seine Stimme verlor
Reprodukt
Berlin, 2014
[Ü: Ruth Notowicz]
Rosie und Moussa
[Mit Michael De Cock]
Beltz & Gelberg
Weinheim, 2016
[Ü: Rolf Erdorf]
Mikel
Die Geschichte des Bonbonverkäufers, der im Regen verschwand
[Text: Mark Bellido]
Reprodukt
Berlin, 2016
Penelope
Oogachtend
Heverlee, 2019
judithvanistendael.wordpress.com