Jorge Semprún
- Frankreich, Spanien
- Zu Gast beim ilb: 2006
Biografie
Bibliografie
Biografie
Jorge Semprún wurde 1923 in Madrid geboren. Als 1936 der spanische Bürgerkrieg ausbrach, floh die großbürgerliche, linksliberale Familie nach Paris, wo Semprún das Lycée Henri IV besuchte. Bei seinem Philosophiestudium an der Sorbonne beschäftigte er sich besonders mit Marx und Hegel, die er auf Deutsch las. Er trat der Résistance und bald danach der Kommunistischen Partei Spaniens bei, wurde 1943 von der Gestapo verhaftet und in das KZ Buchenwald deportiert. Nach der Befreiung kehrte er nach Paris zurück und wurde stellvertretender Leiter der spanischen Übersetzungsabteilung bei der UNESCO. Als Mitglied des ZK der spanischen Exil-KP koordinierte er seit 1953 den Widerstand gegen das Franco-Regime und wirkte von 1957 bis 1962 unter dem Decknamen Federico Sánchez im spanischen Untergrund am Wiederaufbau der kommunistischen Organisationsstrukturen mit. Unter der Regierung González kehrte er 1988 bis 1991 als parteiloser Kulturminister in sein Heimatland zurück.Die literarische Bearbeitung seines Lagerlebens gelang Semprún erst 1963, im selben Jahr, als er aus der KP ausgeschlossen wurde. In »Le grand voyage« (1963; dt. »Die große Reise«, 1981) entwirft er anhand der Schilderung seiner fünftägigen Zugfahrt ins KZ Assoziationsketten, in denen frühere und spätere Erlebnisse sowie Reflexionen in eine nicht-chronologische Ordnung gebracht werden. Dieses vielschichtige, an Faulkner und Claude Simon geschulte Strukturprinzip verwendet Semprún in seinem gesamten, meist autobiografisch geprägten Werk, gepaart mit häufigen Verweisen auf Literatur und Kulturgeschichte. In Romanen wie »Quel beau dimanche!« (1980; dt. »Was für ein schöner Sonntag!«, 1990) oder »L’écriture ou la vie« (1994; dt. »Schreiben oder Leben«, 1995) wird die Erinnerung an Buchenwald literarisch immer wieder neu gestaltet.
Die »Autobiografía de Federico Sánchez« (1977; dt. »Federico Sánchez. Eine Autobiographie«, 1978) – 1993 gefolgt von dem zweiten Teil »Federico Sánchez se despide de ustedes« (dt. »Federico Sánchez verabschiedet sich«, 1994) – schildert Semprúns wachsende Kritik an Stalinismus, der Struktur der KP und setzt sich mit seinem daraus resultierenden Parteiausschluss auseinander. Nun begann er, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Ende der sechziger Jahre verfasste er einige Drehbücher, darunter das Skript für Costas Gavras’ Film »Z« (1968). Immer wieder verweist Semprún auch auf die Verbrechen des Kommunismus, so bei seiner Weimarer Rede anlässlich des »60. Jahrestages der Befreiung der nationalsozialistischen Konzentrationslager«. Sie ist in die jüngst erschienene Textsammlung »Pensar en Europa« (2006; Ü: An Europa denken) aufgenommen, deren Titel bereits auf Semprúns politische Perspektive einer gesamteuropäischen Integration verweist. Als deren Verfechter zeigte er sich auch in dem gemeinsam mit dem damaligen französischen Innenminister de Villepin verfassten »L’Homme européen« (2005; dt. »Was es heißt, Europäer zu sein«, 2006).Semprún wurde 1994 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels geehrt. Er erhielt u.a. den Jerusalem-Preis, die Goethe-Medaille, den Bruno-Kreisky-Preis und den Ehrendoktortitel der Universität Turin. Sein jüngster Roman, »Veinte años y un día« (2005; dt. »Zwanzig Jahre und ein Tag«), wurde von der Kritik erneut als Werk eines meisterlichen Erzählers begrüßt. Am 7. Juni 2011 starb Jorge Semprún im Alter von 87 Jahren in Paris.© internationales literaturfestival berlin
Bibliografie
Federico Sánchez. Eine Autobiographie
Ullstein
Frankfurt/Main, Berlin, Wien, 1981
[Ü: Heide Mahler-Knirsch]
Die große Reise
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 1995
[Ü: Abelle Christaller]
Schreiben oder Leben
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 1997
[Ü: Eva Moldenhauer]
Was für ein schöner Sonntag
Süddeutsche Zeitung
München, 2004
[Ü: Johannes Piron]
Zwanzig Jahre und ein Tag
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 2005
[Ü: Elke Wehr]
Pensar en Europa
Tusquets
Barcelona, 2006
Was es heißt, Europäer zu sein
[mit Dominique de Villepin]
Murmann
Hamburg, 2006
[Ü: Michael Hein]