Jonas Hassen Khemiri
Jonas Hassen Khemiri wurde 1978 in Stockholm geboren. Der Sohn eines tunesischen Vaters und einer schwedischen Mutter wuchs mit drei Sprachen auf: neben Schwedisch auch Arabisch und Französisch. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und Literaturwissenschaft in Stockholm. Ein Studienaufenthalt führte ihn nach Paris und ein Praktikum bei den Vereinten Nationen nach New York. 2003 veröffentlichte er seinen ersten Roman »Ett öga rött« (dt. »Das Kamel ohne Höcker«, 2006), der mit dem Borås Tidnings debutantpris ausgezeichnet wurde und 2004 das meistverkaufte Taschenbuch des Landes war. 2007 kam die Verfilmung von Daniel Wallentin in die Kinos. »Das Kamel ohne Höcker« beschreibt die Identitätssuche eines Jugendlichen, der sich seiner nordafrikanischen Herkunft wegen in Schweden nicht willkommen fühlt und sich in der Rolle des Außenseiters einrichtet. In seinem Tagebuch erzählt er in einer Zwittersprache von seinen Selbstbehauptungsversuchen. Obwohl er des Schwedischen mächtig ist, imitiert er den drastischen und ungelenken Jargon der Migranten, erweitert ihn jedoch um Wortschöpfungen und innovative Satzstellungen. Auf diese Weise kultiviert er seine hybride Identität – während er jedes Zeichen von Assimilierung als »Schwedisierung« verunglimpft und seine arabischen Wurzeln romantisiert. Das Buch mache »Innenräume sichtbar«, so Barbara Wahlster im Deutschlandradio, »die im Gerede über Parallelgesellschaften oder Machotum muslimischer Jugendlicher einfach untergehen, indem es den schwierigen und verrückten, manchmal verzweifelten und komischen Versuch, einen eigenen Platz in der Welt zu finden, ernst nimmt«. Khemiris zweiter Roman »Montecore, en unik tiger« (2006; dt. »Montecore, ein Tiger auf zwei Beinen«, 2007) kontrastiert ebenfalls das unreife Ideal einer homogenen Identität mit einer Realität der zahlreichen Facetten von Anpassung und Außenseitertum, Selbstverleugnung und Selbstbewusstsein, Mut und Unsicherheit. In der Korrespondenz zwischen dem Sohn eines ausgewanderten Nordafrikaners und dessen Freund entsteht ein komplexes, kontrastreiches Bild des Vaters – während im Dialog die Jugendsprache des Sohnes auf eine blumige Mischung aus Schwedisch, Arabisch und Französisch trifft, derer sich der Freund bedient. Im Auftrag des Stockholmer Stadttheaters verfasste Khemiri das Stück »Invasion!« Darin zeigen sich humorvoll wie auch drastisch die Beiläufigkeit, mit der Fremdheit konstruiert und perpetuiert wird, sowie die Schwierigkeit, über diese Grenze hinweg zu kommunizieren. 2006 uraufgeführt, war das Stück zwei Spielzeiten lang ausverkauft und wurde auch in Frankreich, Großbritannien, Norwegen und Deutschland gespielt. 2008 erschien es unter dem gleichnamigen Titel zusammen mit einem weiteren Drama, Kurzgeschichten und Kommentaren. Khemiris Werke wurden in neun Sprachen übersetzt. Zu seinen Auszeichnungen gehören der P. O. Enquist Pris, der Roman- sowie der Kurzgeschichtenpreis des schwedischen Radios sowie ein Stipendiatsaufenthalt am Royal Court in London. Der Autor lebt zurzeit als Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD in Berlin.
© internationales literaturfestival berlin
Montecore,
ein Tiger auf zwei Beinen
Piper
München, 2007
[Ü: Susanne Dahmann]
Das Kamel ohne Höcker
Piper
München, 2007
[Ü: Susanne Dahmann]