John Wray
John Wray wurde 1971 in Washington, D.C., geboren, wuchs in Buffalo auf und machte am Oberlin College in Ohio seinen Abschluss in Biologie. Danach arbeitete er u. a. als Taxifahrer in Alaska und unterrichtete Deutsch sowie Spanisch in New York.
Für sein Romandebüt »The Right Hand of Sleep« (2001; dt. »Die rechte Hand des Schlafes«, 2002), das in einem österreichischen Bergdorf während der NS-Zeit spielt, wurde Wray mit dem Rome Prize der American Academy und dem Whiting Writers’ Award ausgezeichnet. Die Stärken dieses Antiheimatromans liegen in der Ausgestaltung der Charaktere, die stets im Zweifel darüber sind, ob ihr Handeln böse oder gut ist. Die Technik literarischer Montage verfeinert der Autor in seinem zweiten Roman »Canaan’s Tongue« (2005; Ü: Canaans Zunge): In einer Mischung aus Ich-Erzählung, Tagebucheinträgen, Briefen, Zitaten und Untersuchungsberichten begibt sich Wray weiter in die Vergangenheit, diesmal in die Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs. Der verbrecherische Prediger John Murrell aus Mark Twains »Leben auf dem Mississippi« zieht bei ihm die Fäden in einem Netzwerk des Sklavenhandels, in das er viele zuvor unbescholtene Bürger verwickelt. Die düstere Atmosphäre des Romans, der an Poe und Faulkner erinnert, wirft erneut die Frage der moralischen Unbestimmtheit des Handelns auf, wobei dem Element der Irrationalität, hier insbesondere im Kontext des Glaubens, großes Gewicht verliehen wird. In »Lowboy« (2009; dt. »Retter der Welt«) wird Irrationalität in ihrer pathologischen Form selbst zum Thema. Der 16-jährige Will Heller, der an paranoider Schizophrenie leidet, flüchtet aus der Anstalt in die New Yorker U-Bahn-Schächte mit der Absicht, den unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang durch globale Erwärmung zu verhindern. Gemeinsam mit Wills Mutter macht sich daraufhin ein Profiler des NYPD auf die Suche nach dem Jungen. Gekonnt springt Wray zwischen psychologischen Realitäten hin und her und schöpft das narrative Potenzial der Schizophrenie aus. 2016 erschien sein Roman »The Lost Times Accidents« (dt. »Das Geheimnis der verlorenen Zeit«, 2016). Ein Hobbyphysiker aus dem k. u. k. Mähren findet darin das Geheimnis der Zeit, verliert aber seine Notizen gleich wieder, woraufhin drei Generationen seiner Nachfolger über zwei Kontinente und ein ganzes Jahrhundert hinweg danach suchen. Die »New York Times« charakterisierte das Buch als konsequente Weiterführung der literarischen Erforschung von Themen wie Familiengeheimnisse, Verlust und psychische Krankheiten, die Wray bereits in früheren Werken interessierten. In seinem jüngsten Roman »Godsend« (2018; dt. »Gotteskind«, 2019) verfolgt er den Weg einer jungen Amerikanerin, die 2001 von Kalifornien nach Pakistan aufbricht, um sich den Taliban anzuschließen.
Der Autor veröffentlichte außerdem Kurzgeschichten und Essays. Sowohl amerikanischer als auch österreichischer Staatsbürger, lebt er gegenwärtig in Mexiko-Stadt.
Die rechte Hand des Schlafes
Berlin Verlag
Berlin, 2002
[Ü: Peter Knecht]
Canaan’s Tongue
Knopf
New York, 2005
Retter der Welt
Rowohlt
Reinbek, 2009
[Ü: Peter Knecht]
Das Geheimnis der verlorenen Zeit
Rowohlt
Reinbek, 2016
[Ü: Bernhard Robben]
Gotteskind
Rowohlt
Reinbek, 2019
[Ü: Bernhard Robben]
www.twitter.com/john_wray