Jeanette Winterson wurde 1959 in Manchester, Großbritannien, geboren. Im nahegelegenen Accrington wuchs sie als Adoptivtochter eines Arbeiterpaars auf, das der Pfingstbewegung angehörte und sie mit missionarischem Eifer erzog. Winterson begann jedoch schon in ihrer Schulzeit, sich innerlich von den Vorstellungen ihrer Eltern zu distanzieren. Als sie wegen einer ersten lesbischen Beziehung aus der Gemeinde ausgeschlossen wurde, riss sie von zu Hause aus und ermöglichte sich mit Gelegenheitsarbeiten ein Anglistik-Studium am St. Catherine‘s College in Oxford, das sie 1981 abschloss. Winterson lebt heute in London und arbeitet u.a. für „The Guardian“ und „The Times“ als Journalistin.
In ihrem Debüt „Oranges Are Not the Only Fruit“ von 1985 (dt. „Orangen sind nicht die einzige Frucht”, 1993) erzählt Winterson auf zum Teil ironische und satirisch überzogene Weise die Geschichte ihrer eigenen Kindheit und Jugend. Der Roman wurde mit dem renommierten Whitbread Award ausgezeichnet und 1990 von der BBC als Fernsehserie verfilmt. Die „Orangen“ bilden den Auftakt zu einem losen Zyklus von zum Teil preisgekrönten Erzählungen über Liebe und andere Leidenschaften, an dem die Autorin seither erfolgreich gearbeitet hat. International machte sie dabei 1992 mit ihrem Roman „Written on the Body“ (dt. „Auf den Körper geschrieben“, 1993) von sich reden, der in knapp zwanzig Sprachen übersetzt wurde. Darüber hinaus hat Winterson Kurzgeschichten, Essays und Drehbücher verfasst sowie die Kinderbücher „The King of Capri“ (2001; dt. „Der König von Capri“, 2003) und „Tanglewreck“ (2006; dt. „Tanglewreck. Das Haus am Ende der Zeit“, 2006).
Charakteristisch für Wintersons Werke ist eine weitgehend schmuck- und eigenartig schwerelose Sprache, die es trotz eines bisweilen fast saloppen Untertons vermag, große Gefühle zu vermitteln. Mit ihren humorvollen, geistreichen und von immenser Experimentierfreude geprägten Geschichten, die vor den Grenzen von Zeit und Raum nur selten Halt machen, erinnert die Autorin an Virginia Woolf. Und wie Woolf, deren Werke sie zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Margaret Reynolds neu ediert hat, löst auch sie sich von den traditionellen Geschlechterrollen – nicht zuletzt durch die Betonung homoerotischer Beziehungen.
In „The Powerbook“ (dt. „Das Powerbook“, 2001), mit dem Jeanette Winterson im Jahr 2000 ihren Prosazyklus vollendet hat, ist es der Cyberspace, der zum Spielplatz der schriftstellerischen Phantasie wird. Im Rahmen einer modernen Dreiecksgeschichte lotet sie hier die Freiheiten und Gefahren im virtuellen Kosmos aus.
Zuletzt wurde der Roman „Lighthousekeeping“ (2004; dt. „Der Leuchtturmwärter“, 2006) ins Deutsche übersetzt. Er erzählt die Geschichte des Waisenmädchens Silver, das bei dem blinden Leuchtturmwärter Mr. Pew lebt. Der alte Mann, ausgestattet mit seherischen Gaben, lehrt sie nicht nur das Leuchtturmwarten sondern auch die Kunst des Erzählens, so dass Silver schließlich ihren eigenem „Lebensroman“ ein wenig näher kommt.
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