Jean Echenoz
- Frankreich
- Zu Gast beim ilb: 2012
Jean Echenoz wurde 1947 in Orange in der Provence geboren. Er studierte Bauwesen und Soziologie. In den siebziger Jahren begann er zu schreiben und veröffentlichte seither zahlreiche Romane.
Besonders gelobt wird Echenoz’ Erzählweise, die keinen Regeln zu folgen scheint. In seinen Büchern lässt er die Genregrenzen verschwimmen. Echenoz arbeitet mit Stilbrüchen, wodurch seine Werke experimentell, ja nahezu avantgardistisch wirken. Das realistische Erzählen wechselt oft ins Surreale. Bei aller Irritation des Lesers durch diese gekonnten Kniffe verliert sein Erzählstil allerdings nie an Leichtigkeit. Spott und Ironie sind wesentliche Merkmale von Echenoz’ Romanen, die Darstellung der Figuren ist oft parodistisch. Aufgrund dieses raffinierten Spiels mit Sprache und Genre wurde der Autor bereits als französischer »Haute Couturier« der Literatur oder als »Meister der lakonischen Details« gerühmt. 1999 erhielt er für seinen Roman »Je m’en vais« (1999; dt. »Ich gehe jetzt«, 2000) den Prix Goncourt. Das Werk handelt von einem erfolglosen Pariser Kunsthändler, der auch in seiner Ehe keine Erfüllung findet. Kurzerhand verlässt er seine Frau und macht sich auf in Richtung Arktis, wo er von einem verschollenen Schiffswrack gehört hat, in dem ein wertvoller Kunstschatz lagern soll. »Je m’en vais« ist gleichzeitig Abenteuerroman und Satire auf den heutigen Kunstbetrieb. In seinem Werk »Ravel« (2005; dt. 2007) widmet sich Echenoz der Musik. Er erzählt vom letzten Lebensjahrzehnt des großen französischen Komponisten und spielt dabei mit den Grenzen zwischen Fiktion und Realität. Denn das Buch ist nicht als Biografie, nicht als Bericht von Fakten aus Ravels Leben zu verstehen. Es ist ein Roman, in dem man, so loben Kritiker, einiges mehr über die Person erfährt, als eine Biografie wohl hätte leisten können. Es war die Unnahbarkeit des Komponisten, die Echenoz besonders reizte und für seinen Roman inspirierte. Er präsentiert den Musiker als Idealtypus des modernen Künstlers. Seelenlos gleicht er einer Maschine, die keine Eigenschaften zu haben scheint. Er ist stets rastlos und findet nicht zum Einklang mit sich selbst. Auch von der Epoche der dreißiger Jahre war Echenoz fasziniert, einer Zeit der technischen und künstlerischen Neuerungen und Ausdruck der Moderne, was sich in seinem Werk widerspiegelt. In seinem Buch »Courir« (2008; dt. »Laufen«, 2009) geht es um den tschechischen Läufer Emil Zatopek. Wie schon in »Ravel« basiert die Geschichte auf biografischen Daten, wird aber in besonders einfühlsamer, unbiografischer Weise erzählt. Der Roman »Des Éclairs« (2010; dt. »Blitze«, 2012) beschließt das Projekt »Drei Leben« und widmet sich dem serbischstämmigen Erfinder und Elektroingenieur Nikola Tesla, dessen biografische Daten er dem fiktiven Charakter Gregor an die Hand gibt. Das Jahrhundertgenie gewann den »Stromkrieg« gegen Edison, lebte im Waldorf Astoria, verkehrte mit Kipling und Twain und stürzte am Ende doch ab und wurde wunderlich.
Jean Echenoz lebt in Paris.
© internationales literaturfestival berlin
Ich gehe jetzt
Berlin Verlag
Berlin, 2000
[Ü: Hinrich Schmidt-Henkel]
Ein Jahr
Berlin Verlag
Berlin, 2005
[Ü: Hinrich Schmidt-Henkel]
Ravel
Berlin Verlag
Berlin, 2007
[Ü: Hinrich Schmidt-Henkel]
Laufen
Berlin Verlag
Berlin, 2009
[Ü: Hinrich Schmidt-Henkel]
Blitze
Berlin Verlag
Berlin 2012
[Ü: Hinrich Schmidt-Henkel]