Jan Wagner wurde 1971 in Hamburg geboren und wuchs in Ahrensburg in Schleswig-Holstein auf. Mit 14 Jahren schrieb er seine ersten Gedichte, die Weltliteratur von den Klassikern bis zur Gegenwart entdeckte er vermittels der reichen Bibliothek seiner Eltern. Sein Studium der Anglistik begann Wagner in Hamburg, setzte es über ein Jahr am Trinity College in Dublin fort und schloss es an der Humboldt-Universität zu Berlin ab.
Schon während des Studiums gab er zusammen mit Thomas Girst die Literaturschachtel »Die Außenseite des Elementes« als literarische und grafische Loseblattsammlung heraus, bis das Projekt, das Marcel Duchamps »Schachtel im Koffer« zum Vorbild hatte, 2003 aus finanziellen Gründen eingestellt werden musste. Außerdem begann Wagner mit dem Übersetzen englischsprachiger Lyrik.
Sein erster eigener Gedichtband »Probebohrung im Himmel« erschien 2001. Als Lyriker greift Wagner zum Teil auf klassische Formen zurück und passt sie mit sublimer Leichtigkeit und Eleganz den Erfordernissen eigener Inhalte an. Gedichte sind für ihn etwas Essenzielles, Lebensnotwendiges. »Vielleicht rechnet man gar nicht mehr damit, dass überhaupt Menschen existieren, die Gedichte schreiben. […] Die Wahrheit ist, dass es eine Vielzahl von Dichterinnen und Dichtern, gerade jüngere, gibt, die hervorragende Gedichte schreiben. Dichtung ist also etwas höchst Lebendiges«, sagte er in einem Interview. Neben seiner thematischen Zuwendung zur Natur, die in seinen Texten auch immer mit rauer Lebenswirklichkeit konterkariert wird, begibt er sich auch in einen Dialog mit Dichtern der Vergangenheit, wie beispielsweise in seinem Text »der mann wird einem baume gleich« aus seinem Band »Australien« [2010], in dem er den Kirchenlieddichter Paul Gerhardt zitiert. In den Gedichten des Bandes »Regentonnenvariationen« [2014] lenkt Wagner sein Augenmerk wiederum auf die Natur. Im Verhältnis zum Menschen sind die Rollen oft vertauscht – der Mensch macht sie sich nicht untertan, sondern wird von ihr beobachtet und manchmal sogar an den Rand gedrängt. Für diesen Band erhielt Wagner 2015 den Preis der Leipziger Buchmesse. Zuletzt erschien sein Essayband »Der glückliche Augenblick« [2021].
Jan Wagners Gedichte wurden in über vierzig Sprachen übersetzt. Er ist Mitglied in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, der Freien Akademie der Künste in Hamburg sowie des P.E.N.-Zentrums Deutschland. Neben vielen anderen Auszeichnungen wurde er mit dem Anna Seghers-Preis, dem Georg-Büchner-Preis sowie der Ehrendoktorwürde der Universität Bielefeld geehrt. Zu den von Jan Wagner übersetzten Lyriker:innen gehören Matthew Sweeney, Robin Robertson, Charles Simic, James Tate, Margaret Atwood, Ted Hughes, Dylan Thomas, Sujata Bhatt u. a. Er schreibt außerdem Hörspiele und ist Herausgeber von Anthologien junger deutschsprachiger und europäischer Lyrik.
Jan Wagner lebt in Berlin.
Stand: 2022