Jáchym Topol wurde 1962 in Prag geboren. Nachdem er, wie sein Vater, die Charta 77 unterzeichnet hatte, wurde ihm die Aufnahme eines Studiums verwehrt und er arbeitete unter anderem als Heizer, Lagerarbeiter und Kohlenträger. Dabei entwickelte er eine in der tschechischen Literatur bislang ungehörte Sprache. »Ich habe gelernt, die Sprache von Leuten zu benutzen, die vielleicht gefährlich waren. Ich habe begonnen, diese Sprache für Literatur zu verwenden … und das funktioniert.« Topol schrieb zunächst Songtexte für »Psí vojáci« (Hundesoldaten), die inzwischen legendäre Rockband seines jüngeren Bruders Filip. 1985 war er an der Gründung des Samisdat-Literaturmagazins »Revolver Revue« beteiligt, in dem 1988 sein erster Gedichtband, »Miluju tě k zbláznění« (Ü: Ich liebe Dich bis zum Irrsinn), erschien. Dafür wurde ihm von der in Stockholm ansässigen Stiftung Charta 77 der Tom-Stoppard-Preis für inoffizielle Literatur verliehen. Während des Zusammenbruchs der kommunistischen Herrschaft in der Tschechoslowakei arbeitete Topol an den Blättern »Informacní servis« mit , aus denen sich die Wochenzeitung »Respekt« entwickelte. In deren Auftrag bereiste Topol in der Nachwendezeit als Journalist Osteuropa. Später studierte er für einige Zeit Ethnologie in Prag. Nach der Veröffentlichung weiterer Gedichtbände schrieb Topol während eines Stipendienaufenthaltes in Deutschland innerhalb von drei Monaten seinen ersten Roman, »Sestra« (1994; dt. »Die Schwester«, 1998). Mit diesem Kultbuch wandelte er sich vom Underground-Star zum international anerkannten Autor. In assoziativer Schreibweise erzählt Topol von einer Bande, die sich nach dem politischen Umbruch von 1989 mit kleinkriminellen Aktivitäten durchschlägt, bis ihre Unternehmungen außer Kontrolle geraten und der Protagonist sich gezwungen sieht, die Stadt zu verlassen – an der Seite einer mysteriösen Frauengestalt, der »Schwester«. Das Werk wurde mit dem Egon-Hostovský-Preis für das beste Buch des Jahres ausgezeichnet. Nachdem Topol in seinem folgenden Roman »Andel« (1995; dt. »Engel EXIT«, 1995) erneut die Nachwendezeit als groteskes babylonisches Durcheinander beschrieben hatte, wandte er sich in seinen letzten Romanen der tschechischen Nachkriegsgeschichte zu. »Nocní práce« (2001; dt. »Nachtarbeit«, 2003) schildert die Erlebnisse zweier Kinder eines Dissidenten, die nach dem Einmarsch der russischen Truppen in der Tschechoslowakei von ihrem Vater aufs Land geschickt werden. Elemente dieser Handlung werden in »Kloktat dehet« (2005; dt. »Zirkuszone«, 2007) aufgenommen. Ein Waisenkind passt sich den seit dem Zweiten Weltkrieg herrschenden verschiedenen Systemen an und gelangt schließlich in die »Zirkuszone«, eine fiktive, phantasmagorisch und anarchisch ausgestaltete Weiterführung des Prager Frühlings.
Für das Düsseldorfer Schauspielhaus verfasste der Autor sein erstes Theaterstück »Droga do Bugulmy« (dt. »Die Reise nach Bugulma«, 2006), eine zynische Groteske zwischen kommunistischer Vergangenheit und einem vom Terrorismus bedrohten Europa der Zukunft. Topol lebt in Prag.
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