Iva Procházková wurde 1953 in Olomouc/Mähren geboren. Schon früh erfuhr sie, daß die politische Wirklichkeit die eigene freie Entwicklung zu beeinträchtigen vermag. Da ihr Vater, Jan Procházká, zu den „unerwünschten“ Autoren des „Prager Frühlings“ gehörte, durften Ivas frühe Prosa- und Theaterstücke in der Heimat nicht publiziert werden und auch ihre Bewerbungen für ein Universitätsstudium wurden wiederholt abgelehnt. 1983 flohen Iva Procházková und ihr Mann, der Theaterregisseur Ivan Pokorny, in den Westen, zuerst nach Österreich und dann in die Bundesrepublik Deutschland. Sie lebten in Wien, Konstanz und Bremen. Iva Procházková arbeitete an ihren Kinder- und Jugendbüchern und schrieb Stücke für das Puppentheater, mit dem das Ehepaar auf Tournee ging. Heute lebt Iva Procházková mit ihrer Familie wieder in Prag und arbeitet neben ihrer Tätigkeit als freie Schriftstellerin für das Fernsehen und mit deutschen und tschechischen Bühnen zusammen.
Unmittelbar nach der Emigration veröffentlichte Iva Procházková 1984 in Deutschland das Kinderbuch „Der Sommer hat Eselsohren“. Die Geschichte um Dusan und Johanka, die während der Schulferien spannende Abenteuer erleben, wurde auf die Auswahlliste zum „Deutschen Jugendliteraturpreis“ gesetzt. Schon in diesem Kinderbuch beweist die Autorin feines Gespür für die alltäglichen Abenteuer und Sehnsüchte von Heranwachsenden, die es nicht leicht haben mit den Erwachsenen und dem Erwachsenwerden und zeigt ihre jungen Helden als neugierige, sensible, manchmal trotzige Persönlichkeiten voller Tatendrang.
Auch Kapka, die Hauptfigur ihres Buches „Die Zeit der geheimen Wünsche“ (1988), für das die Autorin 1989 den „Deutschen Jugendliteraturpreis“ erhielt, ist eine solche temperamentvolle und mutige Persönlichkeit, die nach einem Umzug die Prager Altstadt und die Menschen ihrer Umgebung neu entdeckt. Durch die Verhaftung ihres Vaters, der ein regimekritischer Bildhauer ist, wird das junge Mädchen mit der Zwiespältigkeit der Erwachsenenwelt konfrontiert. Kapkas Geschichte ist auch eine Geschichte vom Ende der Kindheit und vermittelt ein lebendiges Bild vom Alltag einer Heranwachsenden in der Tschechoslowakei zu Zeiten des sozialistischen Regimes.
Neben humorvollen Appellen zu Aufgeschlossenheit, Kritikfähigkeit und Humanität vermitteln Iva Procházkovás Geschichten immer Hoffnung und Mut. So auch in ihrem zweiten Jugendbuch „Eulengesang“ (1995). In dieser „negativen Utopie“, die das Leben in der Stadt Bremen und das Schicksal ihrer Bewohner während einer Naturkatastrophe im Jahre 2046 zum Thema hat, beschreibt die Autorin, wie der 17jährige Armin sich mit einer Welt auseinandersetzt, in der alles vorherbestimmt ist und in der kaum Raum für Vertrautheit mit Familie und Freunden bleibt. Mineralienbrunnen, Kompostkraftwerke und Solarkollektoren täuschen Unverwundbarkeit und Autonomie vor. In mehr als hundert Gedankenbruchstücken, Dialogsequenzen, Verlaufsprotokollen, Erinnerungen und Zwischenbemerkungen dokumentiert die Autorin Armins Versuche, in einer rational organisierten Welt einen Ort der Geborgenheit und Antworten auf Fragen zu finden, die der Persönliche Computerberater nicht geben kann. Iva Procházková gestaltet hier einen eindringlichen „Appell an Jugendliche, sich nicht entmündigen zu lassen und argwöhnisch zu bleiben.“ (Süddeutsche Zeitung).
In Procházkovás mit dem Friedrich-Gerstäcker-Preis ausgezeichneten Jugendroman „Wir treffen uns, wenn alle weg sind“ (2007) schildert die Autorin die Geschichte des Waisenjungen Mojmr Demeter, der sich in den Bergen außerhalb Prags um eine alte Frau kümmert, während die Stadt von einer Virusepidemie heimgesucht wird. Als er das Mädchen Jessica, eine der wenigen Überlebenden der Katastrophe, kennen lernt, erfährt er die überlebenswichtige Bedeutung von Freundschaft und die „wohltuende Wirkung von Zuneigung, Mut und Toleranz – die wahren Qualitäten des Lebens eben“ (Literaturen).
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