Der Schriftsteller, Übersetzer und Verleger Ilija Trojanow wurde 1965 in Sofia, Bulgarien, geboren. 1971 floh seine Familie über Jugoslawien und Italien in die Bundesrepublik, ein Jahr später zog sie ins kenianische Nairobi, wo Trojanow – unterbrochen von einem dreijährigen Aufenthalt in Deutschland – aufwuchs. Nach Studienjahren in München gründete er den Kyrill und Method Verlag, später den Marino Verlag, deren Schwerpunkte auf afrikanischer Literatur lagen.
Mit »Die Welt ist groß und Rettung lauert überall« (1996) gab er sein viel beachtetes Debüt als Romanschriftsteller. Die Familiensaga mit autobiografischem Hintergrund breitet neben sozialkritischen Anklängen schon das grundlegende Motiv und Anliegen dieses Autors mit überbordender Erzählfreude und wechselnden Tonlagen aus: kulturelle Heterogenität nicht als Übel oder Unglück, sondern als Normalität, Chance oder sogar Glücksfall vorzuführen. Immer wieder setzte sich Trojanow kritisch mit dem Land seiner Geburt und dessen heutiger Situation auseinander. Jahrelange Recherchen in Bulgarien flossen in seine Reportage »Hundezeiten« (1999) ein, die 2006 überarbeitet unter dem Titel »Die fingierte Revolution« neu erschien: eine provokative Abrechnung mit der alten Nomenklatura, die sich unter demokratischem Deckmantel in eine neue Oligarchie verwandelt hat. Auch in seinem Dokumentarfilm »Vorwärts und nie vergessen« (2007), in dem er Gespräche mit ehemaligen politischen Gefangenen aufzeichnete, und in diversen Zeitungsreportagen befasste er sich mit Bulgarien. Seinen größten literarischen Erfolg hatte der Autor bislang mit dem Roman »Der Weltensammler« (2006). Trojanow unternimmt darin mit Mitteln der Fiktion eine Annäherung an den britischen Kolonialoffizier und Orientalisten Richard Francis Burton, der sich als exzentrischer Verkleidungskünstler mit zahlreichen Kulturen, Religionen und Sprachen vertraut machte, die »Geschichten aus 1001 Nacht« sowie das Kamasutra übersetzte, inkognito nach Mekka reiste und sich auf die Suche nach den Quellen des weißen Nil begab. Die Perspektive dieses maßlos Neugierigen wird mit den Sichtweisen Einheimischer kontrastiert. So entsteht ein komplexes Bild fremder Kulturen, voller sinnlicher Details und differenzierten Reflexionen, die nahtlos an aktuelle Debatten anschließen. Sein jüngster Roman »EisTau« (2011) widmet sich dem Glaziologen Zeno, der Erhabenheit und zugleich der Gefährdung der Natur.
Ilija Trojanow wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, darunter mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis, dem Preis der Leipziger Buchmesse und dem Berliner Literaturpreis. Er war Stadtschreiber in Mainz, hatte eine Heiner-Müller-Gastprofessur in Berlin und war Poetik-Dozent in Tübingen. Trojanow lebt und arbeitet derzeit in Wien.
© internationales literaturfestival berlin