Ha Jin
- China, USA
- Zu Gast beim ilb: 2008, 2011, 2012, 2015
Ha Jin wurde 1956 unter dem Namen Jin Xuefei als Offizierssohn in der nordchinesischen Kleinstadt Jinzhou geboren. Während der Kulturrevolution trat er mit 14 Jahren in die Volksbefreiungsarmee ein und diente an der Grenze zur Sowjetunion. Als 1977 die Universitäten wieder eröffnet wurden, studierte er Englisch und anschließend Amerikanische Literatur. 1985 ging er mit einem Stipendium an die Brandeis University in Waltham, Massachusetts, um dort zu promovieren. Drei Jahre später vollendete Jin das Manuskript für seinen ersten Gedichtband »Between Silences« (1990; Ü: Zwischen Schweigen). Nach der blutigen Niederschlagung des Studentenprotests auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989 blieb er in den USA und besuchte u.a. das Creative Writing Program der Boston University. Dort ist Jin, nach einer Tätigkeit als Dozent an der Emory University in Atlanta, derzeit Professor für Englisch und Creative Writing. Seit 1997 ist er amerikanischer Staatsbürger.
Neben vier Lyrikbänden veröffentlichte Jin Kurzgeschichten und sieben Romane, für die er mit bedeutenden amerikanischen Literaturpreisen ausgezeichnet wurde. Wie Nabokov und Conrad wählte er bewusst die Fremdsprache Englisch für sein Schreiben, die er klar und zurückhaltend einsetzt: »Ich will ein amerikanischer Autor sein, denn die Immigranten-Erfahrung war immer ein herausragender Teil der amerikanischen Kultur.« Dennoch blieb lange Zeit China der Handlungsort seiner Geschichten, die am Alltagsleben gewöhnlicher Menschen zeigen, wie Individualität von sozialen Normen und politischen Zwängen unterdrückt wird. Sein erster Roman, »In the Pond« (dt. »Im Teich«, 2001), ist eine Satire über einen Fabrikarbeiter, der gegen die Ungerechtigkeiten korrupter Vorgesetzter kämpft, bis er sich ihnen nach seinem Aufstieg schließlich anpasst. »Waiting« (1999; dt. »Warten«, 2000), der Roman, der Jin international bekannt machte, beschreibt eine Liebe im China der sechziger Jahre, die an überkommenen Traditionen zerbricht. »A Free Life« (2007; dt. »Ein freies Leben«, 2009) spielt zum ersten Mal in den USA und thematisiert die Erfahrungen eines chinesischen Immigranten. In seinem aufwendig recherchierten Roman »Nanking Requiem« (2011; dt. 2012) erzählt Jin schließlich von der amerikanischen Missionarin Wilhelminde »Minnie« Vautrin, die 1937 während des Massakers der japanischen Armee in Nanking Tausenden das Leben rettete. Der Protagonist seines jüngsten Romans »A Map of Betrayal« (2014, Ü: Eine Karte des Verrats) ist ein chinesischer Spion, der als Übersetzer in den USA Zugang zum Geheimdienst erhält und dessen Leben von seiner Tochter Lilian rekonstruiert wird, die dafür wiederum nach China reist. Bezüge zu Jins eigener Biografie als Immigrant sind dabei nicht von der Hand zu weisen.
Zu den zahlreichen Ehrungen für sein Werk gehören der Hemingway-Preis, der National Book Award und der Faulkner-Preis.
Warten
dtv
München, 2000
[Ü: Susanne Hornfeck]
Im Teich
dtv
München, 2001
[Ü: Susanne Hornfeck]
Ein freies Leben
Ullstein
Berlin, 2009
[Ü: Sonja Hauser / Susanne Hornfeck]
Nanjing Requiem
Ullstein
Berlin, 2012
[Ü: Susanne Hornfeck]
A Map of Betrayal
Pantheon
New York, 2014