György Dragomán
György Dragomán wurde 1973 im rumänischen Târgu Mureş geboren. Mit seinen Eltern siedelte er 1988 nach Ungarn über, studierte Englisch und Philosophie in Budapest und promovierte mit einer Arbeit zu Samuel Becketts Roman »Watt«. Er arbeitet als Webdesigner, Filmkritiker sowie Übersetzer für die ungarische Edition des Magazins »Cinema« und hat Werke von Joyce, Welsh und Beckett ins Ungarische übertragen.
Mit seinem Erstlingswerk »A pusztítás könyve« (2002; Ü: Unerledigte Genesis) präsentierte sich Dragomán auf der literarischen Bühne als ein brillanter und unerbittlicher Beobachter gesellschaftlicher Gewalt, die in ihrer sowohl zwischenmenschlichen als auch staatlich verordneten Grausamkeit den Individuen eine gleichgültige Bestialität aufzwingt, derer sich entledigen zu können nur in kurzen Momenten als Hoffnung aufscheint. In dieser düsteren Vision über drei Tage im Leben eines jungen Architekten beim Militär wird dessen Verbannung in eine heruntergekommene, seelenlose Gefängnisstadt dargestellt, die Schauplatz eines unaufhaltsamen Genozids ist. »Zu lesen«, sagt Dragomán, sei das Buch »idealerweise an drei grauen Novembertagen«, die der Genesis des Buches selbst entsprächen. Dass die Erleiden und das Zufügen von Gewalt vor dem Hintergrund eines diktatorischen Systems immerzu ineinander übergehen und dass jede mögliche Handlung vom Unrechtsstaat imprägniert sein kann, zeigt Dragománs inhaltlich furioser wie sprachlich herausragender zweiter Roman »A fehér király« (2005; dt. »Der weiße König«, 2008), der auch international Aufsehen erregte. Aus der Perspektive des elfjährigen Dzsátá erzählt, dessen traumatische Erfahrung – die Verhaftung seines Vaters durch die Securitate im Jahr des Tschernobyl-Unfalls – zu Beginn des Buches geschildert wird, entspinnt sich in nahezu atemloser Erzählweise eine Geschichte über die Zeit der rumänischen Diktatur unter Ceauşescu, deren sowohl schreckliche als auch absurde Seiten im kindlich verstörten Blick fast physisch greifbar werden. Die Niedertracht sowie die Rohheit der Menschen in Dzsátás Umfeld spiegeln sich jedoch in dessen eigenem Verhalten wider, etwa im Umgang mit der kleinen Iza, die er sich gleichsam rüde unterwirft, obwohl diese Begegnung sich doch so hoffnungsvoll als zarte Idylle ankündigt. Dragománs Sätze weben das »Geflecht des Verhängniszusammenhangs« zu einem »Buch voller Hass und Streitsucht, Fluchen und Drohen, und doch voller betörender Sprachmusik: ein Gesang, dem man gebannt zuhört« (FAZ).
Ausgezeichnet wurde Dragomán u. a. mit dem renommierten Márai-Sándor-Preis (2006) und dem Márciusi Ifjak Preise (2008). Der Autor lebt in Budapest.
A pusztítás könyve
Balassi Kiadó
Budapest, 2002
Der weiße König
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2008
[Ü: Laszlo Kornitzer]