Ayelet Gundar-Goshen
- Israel
- Zu Gast beim ilb: 2018, 2021
Ayelet Gundar-Goshen wurde 1982 in Israel geboren und studierte Psychologie an der Universität von Tel Aviv sowie Drehbuch an der Sam Spiegel Film and Television School in Jerusalem. Sie arbeitete als Nachrichtenredakteurin bei der Tageszeitung »Jedi’ot Acharonot« und verfasste Beiträge für die BBC, »Financial Times«, die »New York Times« sowie »The Daily Telegraph«. Im »Time Magazine« publizierte sie 2017 einen Essay, in welchem sie die Pläne für eine amerikanisch-mexikanische Grenzmauer und die zur selben Zeit stattfindende Abweisung von eritreischen Flüchtlingen vonseiten Israels ins Verhältnis setzt und sich eine empathische Mindestverantwortlichkeit erhofft.
Ihr Romanerstling »Laila Echad, Markowitz« (2012; dt.»Eine Nacht, Markowitz«, 2013) besticht durch einen so unscheinbaren wie sturköpfigen Titelhelden. Um Bella die Flucht vor der Naziverfolgung zu ermöglichen, geht Jakob eine Scheinehe mit ihr ein. In Palästina angekommen, hält er an der Frau mit dem sprechenden Namen fest, die allerdings andere amouröse Vorstellungen hegt. Mit einem Gespür für charakterliche Inkongruenzen, bisweilen komödiantischen Dialogen und Einsprengseln von magischem Realismus beleuchtet Gundar-Goshen die Zeit vor der Staatsgründung Israels. Inspiriert von realen Ereignissen, fusioniert die Autorin in »Leha’ir Arajot« (2014; dt. »Löwen wecken«, 2015) Thriller-Elemente mit ambivalenter Figurenzeichnung, wenn ein Neurochirurg Fahrerflucht begeht, nachdem er auf einer Wüstenstraße nahe Be’er Scheva einen afrikanischen Flüchtling erfasst hat. Während die eigene Frau, eine Polizeibeamtin, ahnungslos in dem Fall ermittelt, wird der Arzt von der Witwe des Opfers angehalten, in einer provisorischen Klinik für illegale Einwanderer auszuhelfen. Mitten im Negev offenbart sich dem privilegierten Arzt eine Realität, die sein Selbstbild ins Wanken bringt. Noch pointierter legt »Ha-Shakranit Ve-Ha-Ir« (2018; dt. »Lügnerin«, 2017) den Fokus auf situative Verfehlungen mit verheerenden existenziellen Folgen. Als ein cholerischer Schlagersänger nach einer Tirade eine Eisverkäuferin beschwichtigen möchte, gerät er in den Verdacht, sie missbraucht zu haben. Die Weigerung der jungen Frau, die Öffentlichkeit über die wahren Umstände aufzuklären, lässt ein unüberschaubares Lügenkonstrukt entstehen und offenbart gesellschaftliche Missstände im großen Ausmaß. Die Handlung ihres jüngsten Romans »Relocation« (2020; dt. »Wo der Wolf lauert«, 2021) ist in den USA angesiedelt und thematisiert die Verunsicherung einer Mutter, der ihr Sohn, den sie am besten zu kennen meint, die größten Rätsel aufgibt.
Die Autorin wurde u. a. mit dem Berlin Today Award (2012), dem Sapir-Preis für das beste hebräischsprachige Debüt (2013), dem Adei Wizo Prize (2016) und dem vom »Jewish Quarterly« vergebenen Wingate Literary Prize (2017) ausgezeichnet. Gundar-Goshen lebt in Tel Aviv, lehrt als klinische Psychologin an der dortigen Universität sowie am Holon Institute of Technology und engagiert sich in der israelischen Bürgerrechtsbewegung.
Eine Nacht, Markowitz
Kein & Aber
Zürich, 2013
[Ü: Ruth Achlama]
Löwen wecken
Kein & Aber
Zürich, 2015
[Ü: Ruth Achlama]
Lügnerin
Kein & Aber
Zürich, 2017
[Ü: Helene Seidler]
Wo der Wolf lauert
Kein & Aber
Zürich, 2021
[Ü: Ruth Achlama]