Ghassan Zaqtan wurde 1954 in Beit Jala bei Bethlehem geboren. Weil sein Vater Khalil, Dichter der Generation von 1948, nach der palästinensischen Vertreibung für die UNRWA tätig war, verbrachte Zaqtan seine Kindheit und Jugend in Flüchtlingslagern, bevor sich seine Familie in der Nähe von Amman niederließ. Von 1978 bis zum israelischen Libanonfeldzug 1982 lebte Zaqtan dann in Beirut. In jene Zeit fällt die Publikation seiner ersten Gedichtbände. In Damaskus, wo er nach 1982 Asyl bekam, übernahm er die Redaktion der Literaturseiten von »al-Hurriya«, dem Presseorgan der moderaten »Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas«. Es folgten Aufenthalte auf Zypern, erneut in Jordanien, im Jemen und in Tunesien, wo er bis Mitte der 1990er Jahre gemeinsam mit Ahmad Dahbur die PLO-Literaturzeitschrift »Bayadir« herausgab. 1994 kehrte er in sein bisher »letztes Exil Ramallah « zurück.
Bis dahin waren drei weitere Gedichtbände, verschiedene Prosatexte, der Kurzroman »Wasf al-madi« (1995; Ü: Beschreibung der Vergangenheit), sowie einige Theaterstücke und Drehbücher für Dokumentarfilme und Fernsehproduktionen erschienen. Den Höhepunkt seines Schaffens aber bilden die drei zuletzt veröffentlichten Gedichtbände »Istidraj al-jabal« (1999; Ü: Verlockung des Berges), »Sirabi al-fahm« (2003; Ü: Biografie in Kohle) und »Ka-tayrin min al-qashsh yatba’ uni« (2008; Ü: Wie ein Vogel aus Stroh, der mir folgt).
In dieser Erinnerungslyrik, in der Orte, Gegenstände, Personen und Architektur als Hauptakteure auftreten, wird die in der Gegenwart fortlebende Vergangenheit jenseits von Ideologie und kollektiv überformtem Gedächtnis behutsam zu neuem Leben erweckt. Ausgelöst durch die Erfahrung der Rückkehr in die »Heimat«, werden die eigene Exilvergangenheit und die Spuren der von Besatzung und gewaltsamen Vertreibungen gezeichneten Geschichte Palästinas hinterfragt. Wie verblasste Fotografien lässt der Dichter Bild auf Bild folgen, um aus einem sehr intimen Blickwinkel und in einer einfühlsamen Sprache eine von Politik und Religion beherrschte Geschichte und eine umkämpfte Gegenwart in ein neues, »wahres« Licht zu rücken. Bisweilen sind seine zwischen Versmaß und offener Form oszillierenden Texte aber auch Zwiegespräche mit Dichtern wie Mahmud Darwisch, Konstantinos Kavafis oder Klassikern der arabischen Lyriktradition wie Abu Firas al-Hamdani oder Malik ibn ar-Rayb.
Ghassan Zaqtan gründete 1998 in Ramallah/Al-Bireh mit anderen palästinensischen Dichtern das »Haus der Dichtung«, einen bis heute wichtigen Ort dichterischen und kulturellen Austauschs in der Westbank. Er ist heute als Leiter der Literatur- und Publikationsabteilung des Kultusministeriums in Ramallah tätig und gibt zudem die Literaturbeilage der palästinensischen Tageszeitung »al-Ayyam« heraus. Er gilt als einer der bedeutendsten und innovativsten Lyriker Palästinas.
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