23. ilb 06. – 16.09.2023
Portrait Gerhard Falkner
© Hartwig Klappert

Gerhard Falkner

Gerhard Falkner wurde 1951 in Schwabach geboren. Sein Debütband »so beginnen am körper die tage« (1981) erregte großes Aufsehen und polarisierte mit unzeitgemäßen, formbewussten Gedichten zwischen unmittelbarer und reflektierter Aktualität und klassischer Moderne. In »der atem unter der erde« (1984) wurde die für ihn von Anfang an typische Adaption einer zeitgenössischen Wahrnehmung durch eine klassische Sprachauffassung fortgeführt. Gleichsam als Gegenbewegung zu der in diesen Jahren gängigen Lyrik der Neuen Subjektivität nehmen Formen- und Anspielungsreichtum noch zu. In »wemut« (1989), seinem bis dahin wichtigsten Gedichtband, den er gleichzeitig als seinen letzten ankündigte, emanzipierte er sich vom Leitbild des eigenen und einzigen Tons und der geschlossenen Form und schuf neue Ansätze des Langgedichts wie anderer Lyrikkonzepte.

Anschließend lebte er längere Zeit in Mexiko und den USA und veröffentlichte die Anthologie »AmLit. Neue Literatur aus den USA« (1992). In »Über den Unwert des Gedichts. Fragmente und Reflexionen« (1993) attackierte Falkner nicht nur die geringe Wertschätzung von Lyrik, er unternahm – vor allem mit den Mitteln des postmodernen Mischtextes – auch den Versuch einer Positionsbestimmung der Poesie in der postindustriellen Gesellschaft. Mit »X-te Person Einzahl« (1996) brach er seinen 1989 erklärten Vorsatz: Es folgten das Berlin-Langgedicht »Gegensprechstadt – ground zero« (2005), das 2013 mit der Gruppe MiniMaximum auf der römischen Agora in Athen als Open Air aufgeführt wurde, und »Hölderlin Reparatur« (2008), wofür er 2009 den Peter-Huchel-Preis erhielt. In ihrer Begründung würdigte die Jury Falkners »Möglichkeiten sublimen Sprechens in einer Zeit beschädigter Sprachwelten«. In der Novelle »Bruno« (2008) verbindet er die scheiternden Selbstfindungsversuche eines Schriftstellers mit der bizarren Geschichte des bekannten »Problembärs«. Mit seinem zweisprachigem Gedichtband »Kanne Blumma« (2009) auf Fränkisch und Hochdeutsch schuf er neue Zugänge zu Mundartlyrik. Auf neues Terrain begab er sich zudem mit »Der letzte Tag der Republik / The Last Day of the Republic« (2011), einer Zusammenarbeit mit dem Kunstfilmer Reynold Reynolds, zum Abriss des Palastes der Republik. In Zusammenarbeit mit Constantin Lieb und Felix von Boehm entstanden 2012 die »Pergamon Poems«. In fünf Kurzfilmen huldigen Film und Lyrik dem berühmten Fries. Falkners neuester Gedichtband »Ignatien. Elegien am Rande des Nervenzusammenbruchs« (2014) eröffnet die Zusammenarbeit mit dem Schweizer Künstler Yves Netzhammer, von dem erste animierte Kurzfilme zu einzelnen Ignatien vorliegen.

Für sein Werk wurde Falkner u. a. mit dem Spycher Preis (2006), dem Kranichsteiner Literaturpreis (2008) und dem Wolfram-von-Eschenbach-Preis (2014) ausgezeichnet. 2013 war er der erste Fellow für Literatur an der neu gegründeten Kulturakademie Tarabya in Istanbul und 2014 Stipendiat der Villa Aurora in Los Angeles.

Bibliographie

Gegensprechstadt – ground zero

Kookbooks

Idstein, 2005

[Musik: David Moss]

Bruno

Berlin Verlag

Berlin, 2008

Hölderlin Reparatur

Berlin Verlag

Berlin, 2008

Pergamon Poems

Kookbooks

Berlin, 2012

[Ü: Mark Anderson]

Ignatien

Elegien am Rande des Nervenzusammenbruchs

[Mit Filmstills von Yves Netzhammer]

Starfruit

Berlin, 2014

[Ü: Ann Cotten]