Gerald Zschorsch
- Deutschland
- Zu Gast beim ilb: 2012
Gerald Zschorsch wurde 1951 in Elsterberg (Vogtland, DDR) geboren. Wegen seiner Sympathiebekundungen für den Prager Frühling wurde er 1968 unter Arrest gestellt. 1972 geriet er erneut in Haft, nachdem er öffentlich eigene Gedichte rezitiert hatte, und wurde zu fünf Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Mit der Aberkennung der DDR-Staatsbürgerschaft kaufte ihn die Bundesrepublik 1974 frei. Nach seiner Übersiedlung studierte er zunächst Literatur und Philosophie in Gießen und ließ sich dann als freier Autor in Frankfurt am Main nieder.
Seine Erlebnisse aus den siebziger Jahren und den Wechsel von Ost nach West verarbeitete Zschorsch in seinem Debüt aus Protestliedern, Gedichten und Gefängnisnotaten »Glaubt bloß nicht, daß ich traurig bin« (1977), die allen Zweifel, Protest und alle Kritik des Autors zum Ausdruck bringen, der sich von den Identifikationsangeboten beider Gesellschaftssysteme distanziert hat. Geradezu prophetisch wirkt aus heutiger Sicht sein Gedicht »Grenzübertritt«, das sich an Heines »Wintermärchen« anlehnt und seinen Traum vom vereinten Deutschland artikuliert: »Und warten nah der Grenze / mit Lied und mit Gedicht / daß durch die vielen Strophen / die Mauer einmal bricht«. Seinem Debüt folgten u. a. die Bände »Klappmesser« (1983), »Stadthunde« (1986), »Sturmtruppen« (1987), »Spitznasen« (1990) und »Der Eiserne Felix« (1996), in denen er sich eines knappen Stils und einer sarkastischen, stakkatoartigen Sprache bedient, die aber auch erotische, rätselhafte und melodiöse Verse enthalten. 2004 erschien eine Werkschau seiner bis dahin veröffentlichten Texte in »Torhäuser des Glücks«, die Zschorschs Entwicklung vom »Heine- und Biermann-Ton« über narrative Gedichte bis hin zu einem Lyrismus der Innerlichkeit zeigen. Den meisten dieser Texte sind die kämpferische Haltung ihres Autors und ein Grundton der Wut geblieben, mit der Zschorschs Lyrik sich zur Wehr setzt gegen die Gewalt von Erziehung und politischer Sozialisation. 2006 erschien sein vierteiliges Prosagedicht »Czerwonka«, dessen Titel sich auf den Ort am Dadajsee (Ermland) bezieht und zu dem ihn seine Fahrten durch Ostpolen bis hin zur Kurischen Nehrung inspiriert haben. Es überwiegen Naturbeschreibungen, die sich mit Reihungen von Orts- und Flurnamen als einer Art »sprachmagischer Anrufung« abwechseln. In den Gedichten des Bandes »Zur elften Stunde« (2009) kehrt Zschorsch gedanklich an die Orte seiner Kindheit zurück und betrachtet sie mit Milde. Seine jüngste Veröffentlichung »Es war einmal eine Frau« (2011) vereinigt Gedichte aus vier Jahrzehnten, die ihn vor allem als Liebeslyriker zeigen.
Gerald Zschorsch war Stipendiat der Villa Massimo und der Villa Concordia, er wurde 2001 mit der Adolf-Mejstrik-Ehrengabe für Lyrik der Deutschen Schillerstiftung ausgezeichnet und ist seit 2010 Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste. Der Autor lebt in Frankfurt am Main.
Glaubt bloß nicht, daß ich traurig bin
Prosa, Lieder
Verlag Europäischer Ideen
Berlin, 1977
Torhäuser des Glücks
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2004
Czerwonka
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2006
Zur elften Stunde
Suhrkamp
Frankfurt a. M., 2009
Es war einmal eine Frau
Berlin Verlag
Berlin, 2011