Eugenijus Ališanka
- Litauen
- Zu Gast beim ilb: 2006, 2022
Der litauische Dichter Eugenijus Ališanka wurde 1960 im sibirischen Barnaul geboren, wohin seine Eltern verbannt worden waren. Er wuchs nach der Rückkehr der Familie in Vilnius auf und studierte dort Mathematik. Anschließend war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kultur und Kunst tätig. 1991 gab er den ersten Band seines dreiteiligen Almanachs »Miestelėnai« [Ü: Die Städter; Band zwei und drei 1995 und 1999] heraus und veröffentlichte im gleichen Jahr seinen ersten Gedichtband »Lygiadienis« [Ü: Äquinoktium], der mit dem Zigmas-Gėlė-Preis für das beste poetische Debüt des Jahres ausgezeichnet wurde. Nach einem Aufenthalt als Stipendiat des International Iowa Writers‘ Workshop wurde seine zweite Gedichtsammlung »Peleno miestas« [1995; Ü: Stadt aus Asche] ins Englische übersetzt. Inzwischen liegen Teile seiner Werke – vier Lyrikbände und zwei Bücher mit Essays – auch in französischer, deutscher, polnischer, schwedischer, russischer und finnischer Sprache vor.
Ališanka war von 1995-2002 beim Litauischen Schriftstellerverband als Direktor für internationale Beziehungen tätig und organisierte das Festival »Poetry Spring«. Von 2003 bis 2015 war er Chefredakteur der Zeitung »Vilnius Review«, die zeitgenössische litauische Literatur in englischer Übersetzung vorstellt. Daneben trat er auch als Übersetzer hervor, u.a. von Zbigniew Herbert und Wisława Szymborska aus dem Polnischen und von Aleš Debeljak aus dem Slowenischen. Seine eigenen Gedichte sind von großer Integrationskraft gegenüber fremden Einflüssen, Traditionen, Motiven und Themen, die Ališanka mit individuellen Ausdrucksmitteln souverän zu lokalen Bildern und autobiografischen Verweisen kombiniert. Aus dem Sprachfluss in freien Versen ohne Interpunktion erwächst eine gespannte bis ironische Deutungsoffenheit. Darin zeigt sich ein neuer Zug der litauischen Lyrik, die sich aus dem verschlüsselten Widerstand gegen die sowjetische Fremdbestimmung gelöst hat, sich selbstbestimmt gegenüber Europa öffnet und ihre kulturelle Eigenständigkeit neu austariert. »Die vielbeschworene postmoderne Konstellation, die Ališanka auch in seinen kulturologischen Essays reflektiert, ist mehr als eine Attitüde oder kurzlebige Modeerscheinung. Sie bündelt vielmehr die Erfahrungen von Menschen rund um den Globus.« So Klaus Berthel über den Gedichtband »iš neparašytų istorijų« [2002; dt. »aus ungeschriebenen geschichten«, 2005]. Ališanka veröffentlichte auch einige Essaybände mit Texten u.a. über die kulturelle Postmoderne, darunter »Dioniso sugrįžimas« [2001; dt. »Die Rückkehr des Dionys«, 2006] und »Gatvė tarp dviejų bažnyčių« [2012; dt. »Risse«, 2017]. Zusammen mit Aleš Debeljak [Slowenien] veröffentlichte er den Band mit Reiseessays »Baltische Adria« [2010], der zudem Überlegungen zur Poetologie, zur Verortung von Literatur, zu Fragen europäischer Identität enthält. Der Autor wurde u.a. mit dem Zigmas-Gėlė-Preis und dem Literaturpreis des Kulturministeriums der Republik Litauen ausgezeichnet. Er lebt in Vilnius.
Stand: 2022
Franziska Zwerg – aktualisiert
Miestelėnai
Taura
Vilnius, 1991
Lygiadienis
Vaga
Vilnius, 1992
Vaizdijantis žmogus: sacrum sklaida kultūroje
Lietuvos rašytojų sąjungos leidykla
Vilnius, 1998
Dievakaulis
Lietuvos rašytojų sąjungos leidykla
Vilnius, 1999
City of Ash
[OT: Peleno miestas]
North Western University Press
Evanston, Ill., 2000
[Ü: Harvey L. Hix]
aus ungeschriebenen geschichten
DuMont
Köln, 2005
[Ü: Klaus Berthel]
Die Rückkehr des Dionys
ATHENA-Verlag
Oberhausen, 2006
[Ü: Klaus Berthel]
Baltische Adria
[mit Aleš Debeljak]
Ed. Thanhäuser
Ottensheim/Donau, 2010
[Ü: Cornelius Hell]
Exemplum
Suhrkamp
Berlin, 2011
[Ü: Claudia Sinnig]
Risse: Streifzüge und Fluchtpunkte
KLAK
Berlin, 2017
[Ü: Claudia Sinnig]