Eugene Ostashevsky
- Russland, USA
- Zu Gast beim ilb: 2013, 2022
Eugene Ostashevsky wurde 1968 in Leningrad in der damaligen UdSSR geboren und emigrierte im Alter von elf Jahren mit seinen Eltern in die USA. Er studierte Vergleichende Literaturwissenschaften an der Stanford University, studierte und lehrte an Universitäten in Italien, der Türkei und Frankreich und lehrt heute Literatur an der New York University.
Zweisprachig aufgewachsen, entwickelte Ostashevsky sehr früh ein Gespür für die bedeutenden Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachen. Sprache als solche erscheint ihm als ein künstliches Gebilde, dem jeweils ein ganz eigenes Verhältnis zur Wirklichkeit innewohnt. Was geschieht, wenn zwei Sprachen aufeinandertreffen, daraus hat er sein ganz eigenes Spiel mit Worten entwickelt, das zur Grundlage seiner Gedichte wurde. 2005 erschien sein erster Lyrikband »Iterature«. Darin spielt er gekonnt mit der Semantik unterschiedlicher Sprachsysteme und mischt Elemente der russischen Oberiuten, einer avantgardistischen Künstlervereinigung der zwanziger Jahre, mit dem zeitgenössischen amerikanischen Englisch. Inspiriert von den Avantgarde-Lyrikern, muten seine Gedichte gleichermaßen rhythmisch wie dadaistisch an. Hinter dem Spiel mit Lauten verbirgt sich stets auch eine Reflexion über die Zugehörigkeit zu einer Kultur durch das Medium Sprache. 2006 veröffentlichte er eine Anthologie mit dem Titel »Oberiu. An Anthology of Russian Absurdism« [Ü: Oberiu. Anthologie des russischen Absurden], in der er Werke von Oberiu-Dichtern wie Aleksandr Vvedenskij and Daniil Charms übersetzte und damit einmal mehr seine Bewunderung für das Schaffen der späten Avantgarde-Lyriker und der Sprachphilosophie zum Ausdruck brachte. Auch in seinem Gedichtband »The Life and Opinions of DJ Spinoza« [Ü: Leben und Ansichten des DJ Spinoza] von 2008 mischt Ostashevsky Altes mit Neuem: Elemente von Rapmusik treffen auf mittelalterliche und moderne Logik sowie amerikanische Kinderfernsehsendungen. Zwischenmenschliche Kommunikation wird hier als unmöglich dargestellt. Es gibt keine »wahren«, allgemeingültigen Konzepte, da Konzepte aus Wörtern bestehen und Wörter in unterschiedlichen Sprachen unterschiedliche Bedeutungen besitzen. Im selben Jahr erschien »Enter Morris Imposternak, Pursued by Ironies« [2008; dt. »Auf tritt Morris Imposternak, verfolgt von Ironien«, 2010]. Hier dreht sich alles um die Frage, wie man echte Gefühle in einer Welt entwickeln kann, die von Sprache und deren verschiedensten Interpretationsmöglichkeiten geprägt ist. Das Werk ähnelt in seinem spielerischen Stil der Kinderliteratur, der Dichter selbst nennt dies ironisch den »neuen Infantilismus«. Kinderliteratur inspirierte ihn stets in seinem Schaffen, da sie, im Gegensatz zur Erwachsenenliteratur, einen großen Spielraum für Erzählstrukturen biete. Ebenfalls sprachspielerisch geht es zu in »The Pirat Who Does Not Know the Value of Pi« [2017; dt. »Der Pirat, der von Pi den Wert nicht kennt«, 2017], dessen surreale Dialoge zwischen einem Seeräuber und einem Papageien die Brüchigkeit von Sprache und die daraus resultierenden Verständigungsschwierigkeiten reflektieren.
Eugene Ostashevsky wurde u.a. mit dem Preis der Stadt Münster für Internationale Poesie 2019 ausgezeichnet. Er lebt in New York City.
Stand: August 2022
Franziska Zwerg – aktualisiert
Iterature
Ugly Duckling Presse
New York, 2005
Oberiu
An Anthology of Russian Absurdism
Northwestern UP
Evanston, 2006
The Life and Opinions of DJ Spinoza
Ugly Duckling Presse
New York, 2008
Auf tritt Morris Imposternak,
verfolgt von Ironien
SuKuLTuR
Berlin, 2010
[Ü: Uljana Wolf]
Alexander Vvedensky
An Invitation for Me to Think
New York Review of Books Poets
New York, 2013
[Ü: Eugene Ostashevsky]
Der Pirat, der von Pi den Wert nicht kennt
kookbooks
Berlin, 2017
[Ü: Monika Rinck, Uljana Wolf]