Emmanuelle Pagano
- Frankreich
- Zu Gast beim ilb: 2009
Emmanuelle Pagano wurde 1969 im südfranzösischen Departement Aveyron geboren. Sie studierte Filmwissenschaft und Multimedia in Montpellier und graduierte in Bildender Kunst. Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit – sie veröffentlichte Aufsätze über Filme von Guibert und Pasolini und forschte über das »Kino der Narben« – begann sie schriftstellerisch tätig zu werden. Ihre frühe Erzählung »Pour être chez moi« (Ü: Um bei mir zu sein) erschien 2002 unter dem Pseudonym Emma Schaak, das Romandebüt »Pas devant les gens« (2004; Ü: Nicht vor den Leuten) wird bald neu aufgelegt.
Für das nachfolgende Werk wurde Pagano mit dem Prix TSR ausgezeichnet. »Le Tiroir à Cheveux« (2005; Ü: »Die Haarschublade«) wurde ins Spanische übersetzt und erscheint in Kürze in deutscher Sprache. Der Roman erzählt von der engen Bindung zwischen einer alleinerziehenden Friseurin und ihrem behinderten Sohn. Intimität und Distanziertheit kreuzen sich in Paganos Prosa, die vom Zusammenspiel zwischen starken Landschaftsbildern und dem Bewusstseinsstrom der Erzähler lebt. Im Mittelpunkt des nüchternen, klaren und lakonischen Erzählflusses steht immer der Körper als Problem: seine Verletzbarkeit, Deformierbarkeit, Veränderlichkeit, Fruchtbarkeit, Genussfähigkeit wie auch seine soziale Rolle. Der Roman »Les Adolescents troglodytes« (2007; dt. »Der Tag war blau«, 2008) schildert sechs Tage im Leben einer Schulbusfahrerin, die nach einer Geschlechtsumwandlung dorthin zurückkehrt, wo sie als Junge aufwuchs. Vor- und Rückblenden zeichnen im Wechselspiel mit eindrücklichen Naturbeschreibungen ein schwieriges Schicksal ohne jede Beschönigung und dennoch mit einer versöhnlichen Note. Die Verfilmung wurde mit dem Prix Rhône-Alpes ausgezeichnet. Der Roman »Les mains gamines« (2008; Ü: Die lausbubenhaften Hände) kreist um die traumatische Erfahrung sexueller Gewalt unter Schulkindern. Das Opfer ist inzwischen eine erwachsene Frau, die einen Weg sucht, das Erlebte zu überwinden, während vier Frauen aus ihrer Umgebung ihr Geheimnis ahnen. Der Roman wurde mit dem Prix Wepler und dem Prix Rhône-Alpes ausgezeichnet. »Emanuelle Pagano ist eine Schriftstellerin des Territoriums«, schrieb die Kritikerin Maxime Scheinfeigel. Ihre Landschaften »verdienen es, literarische Objekte zu werden, unter der Bedingung, dass ein Territorium sie vereint und sublimiert: Es ist das Territorium des Körpers.«
Mit freundlicher Offenheit erzählt die Autorin auf dem Blog ihrer Homepage lescorpsempeches.net (dieverhindertenkörper) u. a. von ihrem neuen Buchprojekt. »L’Absence d’oiseaux d’eau« (Ü: Die Abwesenheit der Wasservögel) wurde als Liebes-Briefroman in Gemeinschaftsproduktion mit dem Schriftsteller Marc Pautrel geplant und entwickelte sich entlang einer tatsächlichen Affäre mit dem Briefpartner bis über deren Ende hinaus.
Pagano unterrichtet Bildende Kunst in der Region Ardèche, wo sie mit ihren drei Kindern lebt.
© internationales literaturfestival berlin
Pour être chez moi
Éditions du Rouergue
Paris, 2002
Pas devant les gens
La MartiniËre
Paris, 2004
Der Tag war blau
Klaus Wagenbach Verlag
Berlin, 2008
Les mains gamines
P.O.L.
Paris, 2008
Die Haarschublade
Wagenbach
Berlin, 2009
[Ü: Nathalie Mälzer-
Semlinger]