Emma Braslavsky
Emma Braslavsky wurde in einem Jahr geboren, als man auf der einen Seite der deutsch-deutschen Grenze weitere zwei Millionen Minen in Stellung brachte und auf der anderen Seite Soldaten mit schulterlangem Haar ein Haarnetz verpasste. Sie wuchs in einer Gesellschaft auf, in der das Wort »Gebot« evakuiert und der der Begriff »objektive Notwendigkeit« transplantiert worden war, damit ein Mensch auch weiterhin freiwillige Zwangshandlungen ausführen konnte. Ihre Kindheit verbrachte sie zugleich in einer demokratischen Republik und einer Diktatur des Proletariats sowie zwischen den katholisch geprägten Wortfeldern ihrer Großmutter, bei der sie als Kind lebte, und den mathematischen Denkclustern und Erinnerungslücken ihres Vaters, der kurz vor ihrer Geburt das Gedächtnis verloren hatte. Aus all diesen widersprüchlichen Reizen speisten sich womöglich die Codes, die sie die Paradoxie als Urquelle der menschlichen Geschichte und des universellen Daseins überhaupt sehen lassen. Im Frühsommer des Mauerfalljahrs verließ Braslavsky ihre Heimat fluchtartig und reiste jahrelang über die Kontinente, blieb zeitweise zum Studium oder zum Arbeiten in Moskau, New York, Rom, Vietnam und Tel Aviv. Ein Jahr vor der Jahrtausendwende wurde ihr der Magister Artium an der Humboldt-Universität zu Berlin verliehen. Seither arbeitet sie als freie Autorin und Kuratorin.
Als Erzählerin wurde sie mit ihrem tragikomischen Debütroman »Aus dem Sinn« (2007) bekannt, ein Buch über die Schwerkraft des Gedächtnisses, für den sie den Uwe-Johnson-Förderpreis und den Franz-Tumler-Literaturpreis erhielt und mit dem sie für den Debütpreis des Buddenbrookhauses nominiert war. Ein Jahr darauf folgte der groteske Roman »Das Blaue vom Himmel über dem Atlantik« (2008), eine Geschichte über die Schwerelosigkeit des Gedächtnisses. In beiden Büchern sucht Braslavsky nach den Verhältnissen von Geist und Mensch, nach Zusammenhängen von Erinnerung und Identität. Seit 2010 schreibt und produziert sie gemeinsam mit ihrem Bruder, dem Musiker Alexander Magerl, die Hörcomic-Serie »Agent Zukunft«. Darin prüfen die beiden in abendfüllenden Hörspielfilmen nicht realisierte Manifeste und Traktate der Menschheit auf Machbarkeit, Rentabilität und Glückspotenzial. Für ihren neuen Roman »Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen« (2016) recherchierte Braslavsky acht Jahre lang. Sie sprach mit Klimaforschern, Genetikern und Embryologen, mit Angstforschern und Experten für Internationales Recht, mit Jacht-Gutachtern und Spezialisten für Bunkerbau und Bunkeranlagen und mit Kabbalisten. Deren Erkenntnisse und Einsichten bilden den Hintergrund für ihren großen Abenteuerroman über Fluch und Segen des Menschseins, für die packend erzählte Geschichte unserer Suche nach Erkenntnis und Wahrhaftigkeit.
Seit 2010 ist Emma Braslavsky offiziell Exkatholikin, seit 2014 Mitglied der Giordano-Bruno-Stiftung.
Aus dem Sinn
Claassen
Berlin, 2007
Das Blaue vom Himmel über dem Atlantik
Claassen
Berlin, 2008
Agent Zukunft
Teil 1–4
Dingsbums Productions
Berlin, 2011–2013
Fail in Peace, Fail Happier!
Fail Successfully! The Art of Enduring the Stupidity of Our Intelligence in Uri Katzenstein’s Works
[Katalogbeitrag]
Tel Aviv Art Museum
Tel Aviv, 2015
Leben ist keine Art, mit einem Tier umzugehen
Suhrkamp
Berlin, 2016