Dorit Rabinyan
Dorit Rabinyan wurde 1972 im israelischen Kfar Saba nordöstlich von Tel Aviv an der Grenze zum Westjordanland in eine Familie von jüdischen Flüchtlingen aus dem Iran geboren. Aus den Erzählungen ihrer weiblichen Verwandten erfuhr sie mehr über die Vergangenheit ihrer Familie und das jüdische Leben im Iran. Nach ihrer Tätigkeit als Journalistin für eine Armeezeitschrift und die Tel Aviver Wochenzeitung »Ha’ir« veröffentlichte sie mit 22 Jahren ihren ersten von bisher insgesamt drei Romanen.
In »Simtat Ha-Shkediyot Be-Oumrijan« (1995; dt. »Die Mandelbaumgasse«, 1998) erzählt eine Enkelin von der Welt ihrer Großmutter in Omeridschan, einem »persischen Schtetl«. Beeinflusst vom irakisch-jüdischen Schriftsteller Sami Michaels, hatte sich Rabinyan entschlossen, diesen »schiitischen Frauenroman« als Suche nach den eigenen Wurzeln zu schreiben – ganz entgegen der Tendenz der israelischen Einwanderer, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und bei null zu beginnen. Rabinyans zweiter Roman »Ha-Chatunot Shelanu« (1999; dt. »Unsere Hochzeiten«, 2000), der in Israel monatelang die Bestsellerlisten anführte, ist eine Familiensaga in der erzählerischen Tradition jüdischer Autoren. Auch mit diesem Text, der sich durch sinnlich-verspielte Sprachbilder und ausgefeilte Ornamentik auszeichnet, möchte Rabinyan den Blick des Lesers auf die Lebenswelt orientalischer Juden lenken: »Die israelische Literatur ist europäisch. Leute wie meine Familie kommen da praktisch nicht vor. Erst durch mein Buch bekamen sie eine Stimme in der israelischen Literatur.« Rabinyans jüngster Roman »Gader Haya« (2014; dt. »Wir sehen uns am Meer«, 2016) löste in ihrer Heimat eine Kontroverse aus. Das Buch erzählt von der scheiternden Liebesbeziehung zwischen einer jüdischen Israelin und einem palästinensischen Künstler, die sich in New York kennenlernen. Das israelische Erziehungsministerium lehnte es ab, das Buch wie die beiden Vorgängerromane in die Liste der für die Gymnasien empfohlenen Literatur aufzunehmen, weil es zu Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden ermutige, die die »separate Identität« bedrohten, und außerdem die Assimilation fördere. Rabinyan, die in diesem Konflikt Unterstützer in Meir Shalev, Zeruya Shalev, Amos Oz u. a. fand, bewertete den Vorgang als Symptom für die Kluft zwischen den künstlerischen und politischen Eliten in Israel: »Genau darum lesen wir Bücher, um uns von Slogans zu befreien, von den großen Worten der Politiker.«
Rabinyan wurde 1999 mit dem Jewish Quarterly-Wingate Prize und 2015 mit dem Bernstein-Preis einer israelischen Verlegerorganisation für den Roman »Gader Haya« ausgezeichnet, der auch auf der Liste der zehn besten Bücher des Jahres der Tageszeitung »Ha’aretz« stand. Ihre Romane wurden in viele europäische Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt in Tel Aviv.
Ken, Ken, Ken
Gedichte
Eked
Tel Aviv, 1990
Die Mandelbaumgasse
Goldmann
München, 1998
[Ü: Vera Loos, Naomi Nir-Bleimling]
Unsere Hochzeiten
Krüger
Frankfurt a. M., 2000
[Ü: Helene Seidler]
Wir sehen uns am Meer
Kiepenheuer & Witsch
Köln, 2016
[Ü: Helene Seidler]
doritrabinyan.com