Elvira Dones
Elvira Dones wurde 1960 in Durrës, Albanien, geboren. Sie studierte albanische Literatur und Anglistik an der Universität Tirana und arbeitete zunächst für das staatliche Fernsehen. Weil sie von einer Dienstreise in die Schweiz nicht mehr in ihr Geburtsland zurückkehrte, wurde sie in Albanien wegen Landesverrat zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Von 1988 bis 2004 lebte Dones in der Schweiz, von 2004 bis 2015 in den USA. Ihre Bücher, auf Albanisch oder Italienisch verfasst, wurden in mehrere Sprachen übersetzt. »In meinem Herzen gibt es Platz für verschiedene Heimaten – zu Hause fühle ich mich letztlich aber bei meiner Familie und in der Literatur«, so die Autorin in einem Gespräch mit der »Neuen Zürcher Zeitung«.
Auf Deutsch sind bislang drei Romane erschienen, die sich der albanischen Gesellschaft und Geschichte widmen, insbesondere aus der Perspektive von Frauen. So handelt »Vergine giurata« (2007; dt. »Hana«, 2016) von einer jungen Frau, die einem nordalbanischen Brauch folgt: Um einer Zwangsheirat zu entgehen, schwört sie ewige Jungfräulichkeit und erhält damit das Recht, wie ein Mann zu leben. Sie wird zu Mark, führt ein Dasein in Abgeschiedenheit und verfällt dem Alkohol. Jahre später reist sie zu Verwandten in die USA – doch kann dort aus Mark wieder Hana werden? Der dialogreiche, atmosphärisch dichte und hervorragend recherchierte Roman wurde von Laura Bispuri verfilmt. »Sworn Virgin« lief 2015 im Wettbewerb der Berlinale. »Piccola guerra perfetta« (2011; dt. »Kleiner sauberer Krieg«, 2018) schildert den Kosovokrieg aus der Sicht von drei Frauen: Ohne Strom, Wasser und Telefon harren sie in einer Wohnung in Pristina aus. Während die Bomben auf die Stadt niedergehen und die restliche Welt den Krieg übers Fernsehen verfolgt, machen Nita, Hana und Rea sich auf das Schlimmste gefasst. Der Roman beruht auf Berichten von Betroffenen und erzählt explizit von den Schrecken des Krieges, aber auch von Zusammenhalt und Solidarität. Der dritte ins Deutsche übersetzte Roman ist im Original bereits 2001 erschienen: »Yjet nuk vishën kështu« (dt. »Verbrannte Sonne«, 2020) rückt den Menschenhandel der albanischen Mafia in den Fokus. Mädchen und Frauen werden entführt oder mit falschen Versprechungen von »Dortunten«, wie Albanien im Roman heißt, nach »Dortoben«, Italien, gelockt und zur Prostitution gezwungen. Nüchtern, mit harten Schnitten und aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, kommen neben den Opfern auch deren Eltern, die Täter und deren Angehörige zu Wort. Ohne die Leser*innen zu schonen, doch durchsetzt mit Momenten der Zartheit und Empathie, zeichnet Dones das Bild einer von patriarchalen Strukturen beherrschten Gesellschaft.
Elvira Dones lebt seit 2015 wieder im Tessin.
Hana
Ink Press
Zürich, 2016
[Ü: Adrian Giacomelli]
Kleiner sauberer Krieg
Ink Press
Zürich, 2018
[Ü: Adrian Giacomelli]
Verbrannte Sonne
Ink Press
Zürich, 2020
[Ü: Florian Kienzle]