Dimitré Dinev
- Österreich
- Zu Gast beim ilb: 2004
Dimitré Dinev wurde 1968 in Plovdiv, Bulgarien, geboren. Im nahegelegenen Pasardshik besuchte er ein deutschsprachiges Gymnasium. Während seiner Schulzeit begann er mit dem Schreiben und konnte ab 1986 erste Texte in bulgarischer und russischer Sprache veröffentlichen. Ende der achtziger Jahre nahm er an den Protesten der Oppositionellen gegen das Regime von Todor Shivkov teil. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus verließ Dimitré Dinev im Winter 1990 Bulgarien. Er gelangte über die tschechische Grenze illegal nach Österreich, wo er zunächst im Flüchtlingslager Traiskirchen aufgenommen wurde. In Wien schlug er sich mit verschiedenen Gelegenheitsjobs durch. Nebenher studierte er Philosophie und Russische Philologie. Seit 1992 verfasst er in deutscher Sprache Drehbücher, Theaterstücke, Rundfunkfeatures und Prosa. Sein Theaterstück „Russenhuhn“, das auf der Tragödie „Die Troerinnen“ von Euripides basiert, wurde 1999 in Wien uraufgeführt. Für die Kurzgeschichte „Boshidar“ erhielt er 2000 den ersten Preis des Literaturwettbewerbs „schreiben zwischen den kulturen“. Weitere Kurzgeschichten, darunter „Ein Licht über dem Kopf“, wurden ebenfalls ausgezeichnet. 2001 erschien sein erster eigenständiger Erzählband „Die Inschrift“. In der Spielzeit 2006/2007 hatte Dinevs Stück „Das Haus des Richters“ am Burgtheater Wien Premiere.
Dimitré Dinevs epische Erzählungen über Migration und Fremdheit wechseln zwischen Ironie und Pathos, Komik und Tragik. Mit Humor und einer bemerkenswerten Leichtigkeit berichtet er von den schwierigen Lebensumständen von Flüchtlingen, Asylsuchenden und illegalen Einwanderern, die den alltäglichen Widrigkeiten trotzig und verzweifelt entgegentreten. Auch die beiden Protagonisten seines Debütromans „Engelszungen“ (2003), Svetljo und Iskren, sind in Wien gestrandet und stecken in Schwierigkeiten. Auf dem Zentralfriedhof begegnen sie sich zufällig vor dem Grab des serbischen Kriminellen Miro, der nun als ‚Engel der Einwanderer’ für viele die letzte Hoffnung ist. In einer Rückblende entspinnt sich der Roman über drei Generationen, erzählt in zwei Handlungssträngen vom Schicksal zweier Familien und lässt somit ein gesellschaftlich-politisches Porträt Bulgariens der letzten hundert Jahre entstehen. Dimitré Dinev reiht eine Fülle von lustigen, traurigen, phantastischen und absurden Geschichten aneinander, in denen seine Freude am Erzählen spürbar wird. Neben einer klaren, knappen Sprache verwendet er prägnante poetische Bilder im Stil des magischen Realismus. Der Autor schöpft aus eigenen Erfahrungen und beruft sich auch auf die wahren Erlebnisse anderer: „Viele der Geschichten sind echt, aber so absurd, dass ich dazu andere erfinden musste, die viel übertriebener sind, damit zumindest die echten glaubhaft bleiben.“ Dinev wurde 2005 mit dem Adalbert-von-Chamisso-Förderpreis der Robert Bosch Stiftung ausgezeichnet. Er lebt in Wien.
© internationales literaturfestival berlin
Die Inschrift
Ed. Exil
Wien, 2001
Engelszungen
Deuticke
Wien und Frankfurt/Main, 2003
Ein Licht über dem Kopf
Deuticke
Wien, 2005