Dieter M. Gräf
- Deutschland
- Zu Gast beim ilb: 2006
Dieter M. Gräf wurde 1960 in Ludwigshafen/Rhein geboren. Er begann mit 15 Jahren, Gedichte zu schreiben, und war später neben seinem Studium der Germanistik, Politischen Wissenschaften und Philosophie in Mannheim auch journalistisch tätig. 1985 publizierte er seinen Gedichtband »mein vaterland« als erste von mehreren Handpressenpublikationen. Daneben führte er intermediale Projekte durch, z.B. »zuckungsbringer« mit Thomas Gruber.
Für seine radikal collagierte, dekonstruktive Lyrik wurde Gräf mit zahlreichen Stipendien und Preisen geehrt. 1994 erschien sein Lyrikband »Rauschstudie: Vater + Sohn«. Der Titel bezeichnet treffend Gräfs charakteristische Sprachbehandlung: das Arbeiten an der Sprache als Sound, als Sinneffekt an der Grenze zum Rauschen und als sinnlicher Rausch, den die Worte erzeugen. Bevorzugtes Stilmittel ist dabei der Zeilensprung, der die Wörter – durch keinen Bindestrich vermittelnd – spaltet, ihre Materialität sichtbar macht und sie aus ihrem gewohnten Sinnzusammenhang in unterschiedliche Kontexte verpflanzt. Ein Jahr nach der Verleihung des Joseph-Breitbach-Preises Rheinland-Pfalz wurde Gräf mit dem Leonce-und-Lena-Preis ausgezeichnet. 1997 erschien sein zweiter Gedichtband »Treibender Kopf«, dem schließlich »Westrand« (2002) folgte. Hier verwendet Gräf die Erfahrungen seiner zahlreichen Auslandsaufenthalte, z.B. in Indien, Los Angeles oder der Wüste Sinai, um neue Blickwinkel auf die Mythen des Abendlandes wie die Sage von Barbarossa, die Hermannsschlacht oder die RAF zu evozieren. Wie bereits seine früheren Werke mit einem umfangreichen Anmerkungsapparat ausgestattet, verknüpft der Autor darin Sekundärquellen mit individueller Erfahrung, um die Klischees gewohnter Sichtweisen aufzubrechen. In dem mit Margret Eicher inszenierten Ausstellungsprojekt »Tussirecherche« (2000) wird Gräfs Kompositionsprinzip visualisiert. Die Künstler unterminieren darin die Werbeästhetik, indem sie in die bekannten Schriftzüge, Logos und Slogans fremde Inhalte einschleusen. »Gräf flößt gleichsam Computerviren in ein geschlossenes System ein, sozusagen kleine Bomben, kleine Störfaktoren, die bei intensiver Einlassung tatsächlich Wirkung erzielen. … Sie zeigen eine äußerste Möglichkeit lyrischen Sprechens und damit auch eine äußerste Möglichkeit von Kommunikation auf.« (Klaus Wiegerling)
Gräfs ästhetischem Prinzip, das in der kreativen Konfrontation Schönheit, ja Transzendenz sucht, wird auch eine von ihm edierte, neue Lyrikanthologie gerecht. »Das leuchtende Buch. Die Welt als Wunder im Gedicht« (2004) vereint 150 Gedichte der Weltliteratur, die von visionärer Kraft, vom Vertrauen auf das Göttliche und auf die schöpferische Kraft handeln. Zuletzt erschien seine deutsch-englische Gedichtauswahl »Tousled Beauty« (2005) und die CD »Taifun« (2005/06; mit dem Komponisten Volker Staub). Nach fünfzehn Jahren in Köln lebt Gräf nun in Berlin.
© internationales literaturfestival berlin
mein vaterland
Edition Wagner
Berlin, 1985
Rauschstudie: Vater + Sohn
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 1994
Treibender Kopf
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 1997
Westrand
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 2002
Das leuchtende Buch [Hg.]
Suhrkamp
Frankfurt/Main, 2004