Dibou
- Ägypten, Frankreich
- Zu Gast beim ilb: 2012
Dibou wurde 1950 in Paris geboren und arbeitete dort viele Jahre lang im Marketingbereich. In den neunziger Jahren reiste sie regelmäßig nach Ägypten und begeisterte sich so sehr für das Land und die Kultur, dass sie Paris im Jahr 2000 endgültig verließ und nach Ägypten übersiedelte.
Zusammen mit ihrem Mann, dem Comiczeichner Golo, verfasste sie den autobiografischen Comic »Chroniques de la nécropole« (2011; dt. »Chronik einer verschwundenen Stadt«, 2012). Darin schildern die beiden ihr Leben in dem kleinen ägyptischen Ort Al-Qrnah, der sich am westlichen Nilufer am Fuß der thebanischen Berge befindet. Die Lage von Al-Qrnah direkt auf einem altägyptischen Gräberfeld führte Mitte der 2000er Jahre dazu, dass die ägyptische Regierung die rund 300 in Al-Qrnah lebenden Familien in ein neu errichtetes Dorf ganz in der Nähe zwangsumsiedelte. Bereits seit Jahrzehnten waren die Bewohner von Al-Qrnah den Behörden ein Dorn im Auge gewesen, da sie die touristische Erschließung des Gräberfelds behinderten und außerdem angeblich die Grabstätten durch ihre Abwässer nachhaltig schädigten. Al-Qrnah, wie es Dibou und Golo selbst kennenlernten, existiert heute als kultureller Mikrokosmos nicht mehr. Mit »Chronik einer verschwundenen Stadt« haben die beiden Al-Qrnah und dessen Einwohnern ein Denkmal gesetzt. Die beiden Künstler thematisieren die Ohnmacht einer kleinen Gruppe von Menschen gegenüber politischer Willkür und wirtschaftlicher Blindheit, die für den Ausbau des Massentourismus die systematische und dauerhafte Zerstörung einer historischen Ortsstruktur in Kauf nahm. Eine ästhetische Besonderheit ist die Verwendung der Fotografien, die Dibou von Al-Qrnah und dessen Einwohnern machte: Sie gehen eine stimmige Symbiose mit Golos Illustrationen ein und verweisen immer wieder darauf, dass die »Chronik einer verschwundenen Stadt« eben nicht nur irgendeine Geschichte ist, sondern das Schicksal vieler Menschen künstlerisch verarbeitet. Mit der Umsetzung von Al-Qrnah wich eine einmalige Ortsstruktur einem künftigen riesigen Touristenparadies, was vor allem Dibous Fotografien auf den letzten Seiten des Comics noch einmal erschreckend verdeutlichen. Auch wenn es im Kern die Geschichte eines Verlusts ist, bekommt der Leser dennoch eine Ahnung davon, warum Golo und Dibou sich von dem Leben in Europa verabschiedet haben und mit Ägypten ihren ganz persönlichen Sehnsuchtsort gefunden haben.
Seit dem Ende ihrer Arbeit als Marketingspezialistin in Paris stellt Dibou Kleidung, Schmuck und Skulpturen her, die im Rahmen verschiedener Ausstellungen seit Mitte der neunziger Jahre vor allem in Kairo und Paris präsentiert wurden. Zusammen mit ihrem Mann Golo lebt Dibou in Al-Qrnah.
© internationales literaturfestival berlin
Chronik einer verschwundenen Stadt
[Text u. Ill: Golo, Text u. Fotos: Dibou]
avant
Berlin, 2012
www.dibou.fr