David Albahari
- Kanada, Serbien
- Zu Gast beim ilb: 2004
David Albahari wurde 1948 in Peć im ehemaligen Jugoslawien geboren. In Belgrad studierte er Englische Literatur und Sprache. Sein erster Band mit Kurzgeschichten erschien 1973. Sein Buch „Opis smrti“ (1982; dt. „Beschreibung des Todes“, 1993) wurde 1982 mit dem Ivo Andriæ-Preis ausgezeichnet, der Roman „Mamac“ (1996; dt. „Mutterland“, 2002) erhielt 1997 den NIN-Preis, 2006 den Literatur- und Übersetzungspreis „Brücke Berlin“, gemeinsam mit den Übersetzern Mirjana und Klaus Wittmann und 1998 den Balkanica-Preis. Sein Werk wurde mittlerweile in vierzehn Sprachen übersetzt. Albahari wiederum übersetzte u. a. Nabokov, Updike und Shepard ins Serbische.
Albahari bezeichnet das „I Ging“ als wichtigen Einfluss auf sein Leben und Schreiben, in dessen Mittelpunkt das Persönliche und die Familie stehen. „Wenn man versteht, was in einer Familie vor sich geht, versteht man auch, was in der Welt vor sich geht. Muster wiederholen sich, nur der Maßstab ändert sich.“ In den vielschichtigen Erinnerungs- und Erlebnisebenen seiner Figuren konturieren sich die geschichtlichen Ereignisse. Subjektive Bilder erlauben die Annäherung an das Geschehen. Die Kurzgeschichten seines Erzählungsbandes „Beschreibung des Todes“ sind in verdichteter, experimenteller Form gehalten. Häufig verwendet er dabei groteske Bilder: ein Vater läuft über das Wasser und Lagerinsassen treten in Hungerstreik, um Mieder tragen zu dürfen.
Trotz gegenteiliger Bemühungen konnte sich Albahari als jüdischer Serbe der Politisierung seines Lebens und seiner Arbeit im Krieg in Jugoslawien nicht entziehen. 1991 übernahm er das Amt des Vorsitzenden des Verbandes der jüdischen Gemeinden Jugoslawiens. In dieser Funktion war er maßgeblich an der Evakuierung der Juden Sarajevos beteiligt. Zwei Jahre später wählte er freiwillig die „Entwurzelung“ des kanadischen Exils, um der „Zwangspolitisierung“ zu entkommen, von der er sein Leben bestimmt sah. Aus der Ferne tritt jedoch die Geschichte seiner Heimat verstärkt in den Vordergrund seines Werkes. Ausgehend von seiner autobiographischen Situation als Auswanderer erzählt er in „Mutterland“ die Lebensgeschichte seiner Mutter. Dabei setzt sich der Ich-Erzähler nicht nur mit ihrer Biographie vor dem Hintergrund der jugoslawischen Geschichte auseinander, sondern thematisiert zugleich seine Ambivalenzen gegenüber dem Umgang mit Erinnerung, Identität und Geschichte in seiner neuen Heimat. Der Roman „Gec i Majer“ (1998; dt. „Götz und Meyer“, 2003) beschreibt die Suche nach im 2. Weltkrieg verschwundenen Juden. Sie führt den Erzähler auf die Spur zweier SS-Offiziere, die für deren Ermordung verantwortlich sind. Albahari verhindert durch verfremdende Elemente in seiner Sprache die Identifizierung des Lesers mit den Protagonisten. Für den Erzähler werden diese jedoch so real, dass er an der Vergangenheit zerbricht.
© internationales literaturfestival berlin
Beschreibung des Todes
Wieser
Klagenfurt, 1993
[Ü: Ivan Ivanji]
Tagelanger Schneefall
Zsolnay
Wien, 1997
[Ü: Mirjana und Klaus Wittmann]
Wind vorm Fenster
Erker
St. Gallen, 1998
[Ü: Felix Philipp Ingold]
Mutterland
Eichborn
Frankfurt/Main, 2002
[Ü: Mirjana und Klaus Wittmann]
Götz und Meyer
Eichborn
Frankfurt/Main, 2003
[Ü: Mirjana und Klaus Wittmann]
Fünf Wörter
Eichborn
Frankfurt/Main, 2005
[Ü: Mirjana und Klaus Wittmann]
Die Ohrfeige
Eichborn
Frankfurt/Main, 2007
[Ü: Mirjana und Klaus Wittmann]
Ludwig
Eichborn
Frankfurt/Main, 2009
[Ü: Mirjana und Klaus Wittmann]
Die Kuh ist ein einsames Tier: Kurze Geschichten und dauerhafte Wahrheiten über Liebe, Traurigkeit und den ganzen Rest
Eichborn Verlag
Frankfurt/Main, 2011
[Ü: Mirjana und Klaus Wittmann]