Dany Laferrière
- Haiti, Kanada
- Zu Gast beim ilb: 2006
Dany Laferrière wurde 1953 in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince geboren. Er wuchs in dem Dorf Petit-Goâve bei seiner Großmutter auf, der er später zwei Romane widmen sollte. Zunächst arbeitete er jedoch in Port-au-Prince als Journalist für die Zeitung »Petit Samedi Soir« und den Sender »Radio Haiti Inter«. Unter dem Druck des politisch repressiven Klimas der Zeit sah er sich 1976 endgültig gezwungen, nach Montréal auszuwandern, nachdem sein Freund und Kollege Gasner Raymond von Paramilitärs im Dienst des Diktators François Duvalier ermordet worden war. In der kanadischen Metropole arbeitete er u.a. als Fabrikarbeiter und Wetteransager eines privaten Fernsehsenders, bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte. Er erschien 1985 unter dem provokativen Titel »Comment faire l’amour avec un nègre sans se fatiguer« (Ü: Die Kunst, einen Neger zu lieben, ohne müde zu werden) und machte seinen Autor unmittelbar bekannt. Der Roman schildert ein Nordamerika der zwei Geschwindigkeiten, in dem ein erfolgshungriger schwarzer Schriftsteller ein Buch mit Erlebnisberichten über die sexuellen Beziehungen schwarzer Männer zu weißen Frauen schreibt. Sex ist darin das einzige Mittel der jungen, armen Schwarzen, an einer Welt teilzuhaben, die ihnen üblicherweise verwehrt ist. 1989 wurde der Roman von Jacques Benoît verfilmt.
In der Folge veröffentlichte Laferrière in humorvoller, flüssiger und rhythmisierter Sprache etwa zehn weitere Romane, die – so der Autor – seine »amerikanische Biografie« bilden. Sie spielen in einem Nordamerika, das von der Ideologie des amerikanischen Traums beherrscht ist, und im Haiti der Diktatur. Dabei richtet der Autor sein Augenmerk insbesondere auf die Thematik der Rassen und Klassen in Nord und Süd, die er mit dem Wunsch schwarzer Männer nach Überwindung der Ausgrenzung und ihrem sexuellen Begehren nach weißen Frauen anschaulich macht. »Ich beschreibe keine unschuldige Sexualität, sondern eine Sexualität, die ein Instrument politischer, sozialer und wirtschaftlicher Macht ist«, erklärte der Autor in einem Interview anlässlich seines Romans »La chair du maître« (1997; Ü: Das Fleisch des Herren), der den Werteverfall auf Haiti während der Diktatur in den siebziger Jahren schildert.
2004 realisierte Laferrière als Drehbuchautor und Regisseur seinen ersten Spielfilm »Comment conquérir l’Amérique en une nuit« (2004; Ü: Wie man Amerika innerhalb einer Nacht erobert), der auf dem World Film Festival in Montréal mit dem Prix Zénith ausgezeichnet wurde. Sein Roman »Le Goût des jeunes filles« (1992; Ü: Der Geschmack junger Frauen) wurde ebenso verfilmt wie sein letztes Werk, »Vers le Sud« (2006; Ü: Nach Süden), in dem Charlotte Rampling die Hauptrolle spielt. Darin kehrt Laferrière seine gewohnte Perspektive um und beschreibt jene älteren Frauen, die es auf der Suche nach Liebesabenteuern mit jungen Schwarzen in den Süden zieht, wo sie aufgrund des Wohlstandsgefälles auch erfolgreich sind. Der Roman wurde in Frankreich für den Prix Renaudot nominiert. Zu Laferrières weiteren Auszeichnungen zählen der Prix Carbet de la Caraïbe und der Buchpreis des französischen Auslandsrundfunks. Der Autor lebt in Montréal.
© internationales literaturfestival berlin
Comment faire l’amour avec un nègre sans se fatiguer
vlb
Montréal, 1985
How to Make Love to a Negro
Bloomsbury
London, 1991
[Ü: David Homel]
Eroshima
Coach House Press
Toronto, 1991
[Ü: David Homel]
La Chair du maître
Serpent à plumes
Paris, 2000
Le Cri des oiseaux fous
Le Serpent à Plumes
Paris, 2000
Comment conquérir l’Amérique en une nuit
Lanctôt
Outremont, 2004
Les années 80 dans ma vieille Ford
Mémoire d’encrier
Montréal, 2005
Le Goût des jeunes filles
Grasset
Paris, 2005
Vers le Sud
Boréal
Montréal, 2006
Das Rätsel der Rückkehr
Verlag Das Wunderhorn
Heidelberg, 2013