D.J. Waldie
- USA
- Zu Gast beim ilb: 2005
D.J. Waldie wurde 1948 in Lakewood geboren. Dieser Vorort von Los Angeles ist auch das Zentrum seines Werkes und Lebens. In dem Haus, das seine Eltern 1946 kauften, wohnt Waldie noch heute und arbeitet als Sprecher der Stadt. »Ich bin ein professioneller Geschichtenerzähler. Es ist mein Job, Lakewood die Geschichte von Lakewood zu erzählen.« Mit profunder Kenntnis der lokalen Geschichte und den intimen Einblicken, die ihm als städtischem Angestellten möglich sind, schrieb Waldie seit jeher Beobachtungen und Eindrücke aus der kalifornischen Metropole und ihrer Vorstadt auf. Seine Essays veröffentlichte er regelmäßig in Zeitschriften wie der »Los Angeles Times«, dem »Los Angeles Magazine« sowie in »L.A. Weekly«, »Buzz« und dem »Massachusetts Review«.
Im Alter von 48 Jahren veröffentlichte Waldie sein erstes Buch »Holy Land: A Suburban Memoir« (1996; Ü: Heiliges Land. Vorstädtische Erinnerungen). In minimalistischer, nüchterner Prosa kombiniert er sorgfältig eine Fülle von Fakten mit autobiografischen Eindrücken und anekdotischen Ereignissen. Er erzählt von der Konstruktionsweise und dem generalstabsplanmäßigen Bau der 17 000 nahezu gleichen Einfamilienhäuser, die an einem Gittermuster ausgerichtet in weniger als drei Jahren errichtet wurden. Und er beschreibt eine Kindheit, in der es ohne weiteres möglich war, ein fremdes Haus zu betreten, darin zu spielen und sich aus der Küche etwas zu essen zu holen. So entsteht ein paradoxes Bild, das die erschreckende Uniformität der Vorstadt ständig mit einem Gefühl der Geborgenheit konterkariert. Eine erstaunliche Exzentrik der Banalität wird sichtbar. Das Buch ist deshalb auch als ironisch oder zynisch missverstanden worden. Doch es ist, wie der Autor sagt, »eine Auseinandersetzung über die Missachtung von Orten, eine Auseinandersetzung darüber, warum ein Ort missachtet wird, ein gewöhnlicher, alltäglicher Ort; und warum so ein Ort Lebensqualität in sich bergen kann, die bedeutend ist.« Waldies differenzierte Hommage stellt ebenso wie seine Sesshaftigkeit eine Herausforderung des amerikanischen Mythos dar, der unbedingtes Glück verheißt.
Mit seinem zweiten Buch »Where We Are Now: Notes from Los Angeles« (2004; Ü: Wo wir uns nun befinden. Notizen aus Los Angeles) setzte Waldie seine poetische Soziologie des Ortes – in der Tradition des Benjaminschen Flaneurs – fort. Der »Barde der Vorstadt«, wie er im Vorwort genannt wird, weitete darin den Kreis seiner Beobachtungen auf die Hauptstadt aus, ebenso wie in »Real City: Downtown Los Angeles Inside/Out« (2001; Ü: Wahre Stadt. Los Angeles’ Zentrum durch und durch). Bei diesem Fotoband von Marissa Roth steuerte er die Texte bei. Waldie erhielt ein Stipendium des National Endowment for the Arts, die William Allen White Memorial Medal und den Buchpreis des Commonwealth Club of California in der Kategorie Sachbuch. Neben seinen topologischen Studien gilt sein literarisches Interesse einer Neuübersetzung von Mallarmé.
© internationales literaturfestival berlin
Holy Land
St Martin’s Press
New York, 1997
Real City: Downtown Los Angeles Inside/Out
Angel City Press
Santa Monica, 2004
Where We Are Now
Angel City Press
Santa Monica, 2004
Close to Home: An American Album.
Getty Publications
Los Angeles, 2004
Übersetzer: Rainer G. Schmidt