Fadhil Al-Azzawi
- Deutschland, Irak
- Zu Gast beim ilb: 2009, 2011, 2013, 2014
Fadhil Al-Azzawi wurde 1940 in der nordirakischen Stadt Kirkuk geboren. An der Universität Bagdad studierte er Englische Literatur und war in den sechziger Jahren Mitbegründer einer Gruppe für avantgardistische Lyrik, die sich zum Ziel setzte, die irakische Literatur im Geist der Moderne zu erneuern und in einem Manifest die schriftstellerische Unabhängigkeit von jeglichem politischem Einfluss forderte. Dies brachte ihn in Konflikt mit der repressiven Politik der herrschenden Baath-Partei, worauf er zunächst plante, ins Exil nach England zu gehen. Das ursprüngliche Auswanderungsziel blieb ihm allerdings verwehrt, und so emigrierte er 1977 mittels eines Austauschprojekts der Journalistenverbände des Irak und der DDR nach Leipzig. Dort promovierte er in Journalistik und wurde ebenfalls Opfer oppressiver Schikanen. Vom eingeschleusten irakischen Geheimdienst observiert, wurde ihm wiederholt die Ausweisung angedroht.
In der arabischen Welt zählt Al-Azzawi seit seinen literarischen Anfängen zu den gefeiertsten und wichtigsten Autoren seiner Generation. In Deutschland allerdings ist er weitgehend unbekannt. Al-Azzawis Werk umfasst zahlreiche Lyrikbände, sieben Romane sowie eine Kurzgeschichtensammlung, literaturwissenschaftliche Abhandlungen und eine Vielzahl an bedeutenden Übersetzungen aus dem Englischen und Deutschen. Er übertrug u. a. Gedichte von Christian Morgenstern und Texte von Hans Magnus Enzensberger und Tilman Spengler. Nicht zuletzt ist er bekannt für die Übertragung von Robert Musils monumentalem Roman »Der Mann ohne Eigenschaften« ins Arabische. Viele seiner Hauptwerke liegen auf Englisch vor: Der Band »Miracle Maker« (2003) versammelt Gedichte aus sechs Lyrikbänden und gibt einen Überblick über seine poetologische, humorvolle und zugleich melancholisch Beschäftigung mit östlichen wie westlichen Mythologien. In den USA erlangte er zuletzt größere Bekanntheit mit der Neuauflage von »Akhir al-mala’ika« (1992; eng. »The Last of the Angels«, 2007), in welchem er ein pikareskes bis apokalyptisches Panorama seiner Heimatstadt Kirkuk in den fünfziger Jahren während eines Arbeiterstreiks entwirft. Das später in Syrien verfilmte Frühwerk »Al-Qal’a al-khamisa« (1972; eng. »Cell Block Five«, 2008) gilt gar als erster irakischer Gefängnisroman und erreichte in seiner Darstellung politischer Unterdrückung eine ubiquitäre Gültigkeit. Zuletzt erschien der bereits 1976 verfasste, jedoch erst 1989 publizierte Roman »Madina min Ramad« in der englischen Übertragung »The Traveler and the Innkeeper« (2011), der eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund des Sechstagekriegs erzählt.
Fadhil Al-Azzawi ist außerdem für das von Margaret Obank und Samuel Shimon in London gegründete Magazin »Banipal« als Redakteur tätig. Er lebt in Berlin.
Auf einem magischen Fest
Schiler
Berlin/Tübingen, 1998
Miracle Maker
Selected Poems
BOA Editions
New York, 2003
[Ü: Khaled Mattawa]
Cell Block Five
American University in Cairo Press
Kairo/New York, 2008
[Ü: William M. Hutchins]
The Last of the Angels
American University in Cairo Press
Kairo/New York, 2007
[Ü: William M. Hutchins]
The Traveler and the Innkeeper
American University in Cairo Press
Kairo/New York, 2011
[Ü: William M. Hutchins]