Colm Tóibín
Colm Tóibín wurde 1955 im irischen Enniscorthy geboren. Er studierte Geschichte und Anglistik am University College in Dublin und ging danach für drei Jahre als Sprachlehrer nach Barcelona. Nach seiner Rückkehr im Jahr 1978 war er überwiegend journalistisch tätig, u. a. für »In Dublin« und »Hiberna«. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre bereiste er Lateinamerika, insbesondere Argentinien, später auch den Sudan und Ägypten. Das Manuskript seines ersten Romans war damals bereits abgeschlossen. Weil sich kein Verleger fand, veröffentlichte Tóibín zunächst zwei Sachbücher, darunter »Walk along the Borders« (1987; Ü: Wanderung entlang den Grenzen).
1990 erschien schließlich der erste seiner bislang zehn Romane, »The South« (dt. »Der Süden«, 1992), über eine Frau, die, enttäuscht von ihrer Ehe, nach Barcelona flieht. Wenn auch die Faszination des Aufbruchs und der Aufenthalt in fremden Ländern in Tóibíns Romanen häufig thematisiert werden, gibt doch zumeist die Landschaft seiner irischen Heimat den Handlungsort ab. Im Vordergrund steht allerdings der langsame Wandel zwischenmenschlicher Beziehungen. Deren Schilderung anhand von Alltagsdetails – Dialoge, Gedanken, Beobachtungen und Erlebnisse – ist umso eindrücklicher, als dabei überflüssige Erklärungen ausgespart werden. So gelangt das Unausgesprochene in das Zentrum der Handlung: ein untergründiger Schmerz, eine schwer zu fassende Befremdung, ein mühsam aufrechterhaltenes Gleichgewicht. In »Brooklyn« (2009; dt. 2010) erzählt Tóibín von einer irischen Emigrantin, die in ihrer neuen Heimat New York Verpflichtungen eingeht, denen sie sich nicht entziehen kann, bis eine glückliche Rückkehr möglich wird. Eine Rezension in der »Zeit« sah hier typisch für Tóibíns Stil erneut die geradezu mathematische Genauigkeit, mit der Milieus und Atmosphäre beschrieben werden, und die Vermeidung jeglicher Psychologisierung. Auf Deutsch erschienen 2014 der Roman »Marias Testament« und das E-Book »Liebe und Tod«. Für seinen jüngsten Roman »Nora Webster« (2014; dt. 2016) erhielt Tóibín den Hawthornden Prize.
Weitere Auszeichnungen für sein Werk waren der Whitbread First Novel Award, der International IMPAC Dublin Literary Award und der Prix du Meilleur Livre Etranger. Tóibín ist auch als Sachbuchautor (zuletzt 2015 mit »On Elizabeth Bishop«, einer zutiefst persönlichen Studie über die amerikanische Dichterin), Kritiker und Herausgeber tätig. Neben Reiseberichten, politischem Journalismus und Anthologien moderner Literatur veröffentlichte er zudem Essays und ein Theaterstück. Nach einer Professur für Kreatives Schreiben an der Universität von Manchester lehrt Tóibín derzeit an der Columbia University in New York. Er lebt in Dublin.
Brooklyn
Hanser
München, 2010
[Ü: Ditte Bandini u. Giovanni Bandini]
Marias Testament
Hanser
München, 2014
[Ü: Ditte Bandini u. Giovanni Bandini]
Liebe und Tod
[E-Book]
Hanser
München, 2014
[Ü: Ditte Bandini, Giovanni Bandini u. Dirk van Gunsteren]
Nora Webster
Hanser
München, 2016
[Ü: Ditte Bandini u. Giovanni Bandini]
On Elizabeth Bishop
Princeton University Press
Princeton, 2015