Cheikh Hamidou Kane
- Senegal
- Zu Gast beim ilb: 2010
Cheikh Hamidou Kane wurde 1928 in der senegalesischen Stadt Matam geboren und durchlief die traditionell-islamische Erziehung in einer Koranschule. Mit zehn Jahren wechselte er an eine französische Schule. Er studierte an der Sorbonne in Paris und machte einen Abschluss in Philosophie und Jura. Nach seiner Rückkehr in den Senegal 1959 übernahm Kane mehrere politische Ämter. Unter anderem war er Gouverneur der Region Thiès und Planungsbeauftragter unter Premierminister Mamadou Dia.
1961 erschien Kanes Roman »L’Aventure ambiguë« (dt. »Der Zwiespalt des Samba Diallo«, 1980), den er bereits in den 1950er Jahren verfasst hatte und für den er 1962 den Grand Prix Littéraire d’Afrique Noire erhielt. Für den autobiografischen Roman, der heute zu den Klassikern der afrikanischen Literatur gehört, wurden Kanes philosophische Studien stilprägend. Er nutzt eine diskursive Erzähltechnik, die von inneren Monologen durchzogen ist, und beschreibt die Krise der traditionellen senegalesischen Gesellschaft, die durch ihre Begegnung mit der Kolonialmacht ausgelöst wurde. Die Handlung dreht sich um einen jungen Senegalesen aus elitären Verhältnissen, der in einen Zwiespalt zwischen seiner traditionellen Erziehung und seinem europäischen Bildungsweg gerät. Die Figur des Vaters von Samba Diallo, der die europäischen Werte zwar als materiell überlegen, aber eigentlich als sinnentleert begreift, macht überdies eine prophetische Aussage über das künftige Verhältnis zwischen den Kolonien und den Kolonialmächten: »Sie und ich, wir haben nicht dieselbe Vergangenheit gehabt, aber wir werden gewiss dieselbe Zukunft haben.« Samba Diallo kann den Konflikt der Kulturen nicht lösen, er findet nicht mehr in seine Welt zurück, seine Zerrissenheit endet erst mit seinem Tod. »L’Aventure ambiguë« gehört zu den Romanen in französischer Sprache aus der Zeit nach der Unabhängigkeit, in denen die kulturelle Entfremdung im Mittelpunkt steht. Wie auch Mongo Beti und Williams Sassine zeigt Kane einen entwurzelten Intellektuellen am Kreuzweg der Kulturen, der zwischen völliger Orientierungslosigkeit und einer unreflektierten Unterwerfung unter die Äußerlichkeiten der westlichen Zivilisation steht.
Nach fast 35 Jahren literarischen Schweigens erschien 1995 ein weiterer Roman von Cheikh Hamidou Kane, »Les Gardiens du Temple« (Ü: Die Hüter des Tempels), eine Fortführung von »L’Aventure ambiguë«. Während der erste Roman von der Entfremdung des Protagonisten beim Verlassen seiner islamisch-afrikanischen Welt erzählt, beruht der zweite Roman inhaltlich auf einem politischen Konflikt in einem afrikanischen Land fünf Jahre nach der Unabhängigkeit.
Cheikh Hamidou Kane lebt heute in Dakar.
Der Zwiespalt des Samba Diallo
Otto Lembeck
Frankfurt/Main,1980
[Ü: János Riesz und Alfred Prédhumeau]
Les Gardiens du Temple
Stock
Paris, 1995