Charl-Pierre Naudé
- Südafrika
- Zu Gast beim ilb: 2014
Charl-Pierre Naudé wurde 1958 in Kokstad, Südafrika, geboren und wuchs in Durban sowie in East-London auf. Selbst hugenottischer Herkunft, war er bereits in seiner Jugend von den Natur und Magie verbindenden Geschichten afrikanischer Stämme fasziniert. Sein Interesse an dieser Kultur schärfte auch sein Bewusstsein für die menschenunwürdige Behandlung nach dem in der damaligen Gesellschaft vorherrschenden Prinzip der Segregation nach Rassen. Als Form des Protests fand er zu einer Rolle als Mittler zwischen den Welten, mit dem Ziel, eine südafrikanische Poesie zu schaffen, die sich von der Lyrik der Apartheid emanzipiert und die Rolle der Weißen in diesem Land aus einer persönlichen Perspektive, aber immer in Hinblick auf die politischen Verhältnisse hinterfragt.
Nach einem Literatur- und Philosophiestudium an der Universität Stellenbosch veröffentlichte Naudé 1995 den Gedichtband »Die nomadiese oomblik« (Ü: Der nomadische Augenblick), der 1997 mit dem Ingrid-Jonker-Preis bedacht wurde, einer jährlich vergebenen Auszeichnung für lyrische Debütwerke in Englisch oder Afrikaans. Ein solches Entweder-oder trifft dabei auf Naudé nicht zu, da er beide Sprachen auch in seiner Lyrik beherrscht. So erschien seine zweite Gedichtsammlung »In die geheim van die dag« (2005; Ü: In dem Geheimnis des Tages), u. a. ausgezeichnet mit dem Protea-Preis, nicht nur auf Afrikaans, sondern zwei Jahre später auch in der englischen Fassung »Against the Light« (Ü: Gegen das Licht). Der Dichter betonte, dass die zweite Ausgabe keine Übersetzung sei, sondern eine Umsetzung, da jede Sprache eine unterschiedliche Wahrnehmung der Welt ermögliche. Naudés Werk ist von Poeten wie Pablo Neruda und Czesław Miłosz, aber auch von den südafrikanischen Lyrikern Breyten Breytenbach und Elisabeth Eybers inspiriert. Auf klassische Formen zurückgreifend, bricht er diese ironisch, überrascht mit neuen sprachlichen Wendungen und ungewöhnlichen Metaphern. Dabei nutzt Naudé sowohl Figuren aus den antiken Mythen als auch Künstler jener Zeit, um Themen seines Landes und seiner Zeit zu verhandeln. Zu einem von ihm erdachten Streitgespräch der Poeten Catull und Horaz bemerkte er in einem Interview: »Für mich sind sie Prototypen zweier poetischer Haltungen, die beide die nachfolgende westliche Lyrik beeinflussten. Horaz war für den Staat und für Ordnung; Catull war gegen den Staat, gegen eine strikte Ordnung. Und genau vor diesem Problem stehen südafrikanische Autoren auch heute: Sie finden sich wieder in einer Situation, in der die Wahl nicht so einfach ist, wie sie scheint.« Auf Deutsch erschienen Texte von ihm in dem Sammelband »Ankunft eines weiteren Tages. Zeitgenössische Lyrik aus Südafrika« (2013). Zuletzt publizierte er seinen dritten Gedichtband »Al die lieflike dade« (2014; Ü: All diese süßen Taten).
Charl-Pierre Naudé lebt als Journalist und Schriftsteller in Johannesburg und ist 2014 Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.
Die nomadiese oomblik
Tafelberg
Kapstadt, 1995
In die geheim van die dag
Protea
Menlopark, 2005
Against the Light
Protea
Menlopark, 2007
Ankunft eines weiteren Tages
Zeitgenössische Lyrik aus Südafrika
[Hg. Indra Wussow]
Wunderhorn
Heidelberg, 2013
[Ü: Sylvia Geist]
Al die lieflike dade
Tafelberg
Kapstadt, 2014