Javier Cercas
- Spanien
- Zu Gast beim ilb: 2004, 2011, 2021
Javier Cercas wurde 1962 in Ibahernando/Cáceres, Spanien, geboren. Nach zwei Jahren Dozententätigkeit an der Universität Illinois, USA, ist er seit 1989 Professor für Spanische Literatur an der Universität Gerona. Er veröffentlichte literaturwissenschaftliche Arbeiten, Übersetzungen und Essays und schreibt regelmäßig eine Kolumne für »El País«.
1987 kam sein erster Erzählband »El móvil« (Ü: Der Grund) heraus, zwei Jahre später folgte der erste Roman »El Inquilino« (1989; dt. »Der Mieter«, 2003) über den Literaturprofessor Mario Rota, der sich im eitlen, von Konkurrenz geprägten Mikrokosmos einer amerikanischen Universität mit seinen Ängsten konfrontiert sieht. Denn plötzlich taucht Mr Berkowickz auf, der zunächst in die Nachbarwohnung einzieht, dann Rotas Vorlesungen übernimmt und ihm schließlich die Freundin ausspannt. Cercas variiert auf ironische Art das klassische Doppelgängermotiv. Selbstreferentielle Verweise auf das Schreiben und die Literatur an sich bestimmen auch seine weiteren Werke. Der Roman »Soldados de Salamina« (2001; dt. »Soldaten von Salamis«, 2002), ausgezeichnet u. a. mit dem Premio Salambó und von David Trueba verfilmt, beispielsweise handelt von der Recherche einer historischen Begebenheit, die sich im Spanischen Bürgerkrieg zugetragen hat: Rafael Sánchez Mazas, Mitbegründer der faschistischen Falange, gelang die Flucht vor einem regierungstreuen Erschießungskommando, weil ihn sein Verfolger laufen ließ. Der Erzähler, ein Journalist und erfolgloser Schriftsteller, begibt sich auf die Suche nach diesem unbekannten Soldaten und ist darauf fixiert, eine »Erzählung nach der Wirklichkeit« zu schreiben. Vermittels der narrativen Strategie, die Leser*innen quasi an der Entstehung des Romans teilhaben zu lassen, reflektiert Cercas die Frage nach Wahrheit und Fälschung, Dokumentation und Fiktion. Er kommt zu dem Schluss: »Die literarische Wahrheit ist nicht die historische, auch nicht die journalistische Wahrheit: sie ist eine andere Art Wahrheit, universeller und wertvoller; sie ist eine moralische, poetische Wahrheit.« Mit »Anatomía de un instante« (2009; dt. »Anatomie eines Augenblicks«, 2011) legte Cercas einen dokumentarischen Essay über den Putschversuch des spanischen Militärs am 23. Februar 1981 vor. Es folgte der Roman »Las leyes de la frontera«, (2012; dt. »Outlaws«, 2014). Vor dem Hintergrund der spanischen Geschichte seit den sechziger Jahren schildert Cercas die Entwicklung der beiden Jugendfreunde Zarco und Ignacio, von denen der eine zum Schwerverbrecher wird, während der andere als Anwalt Karriere macht. »Ein klug komponiertes Buch, das lange nachklingt«, urteilte »Die Welt«. »El impostor« (2014; dt. »Der falsche Überlebende«, 2017) stellt eine reale Person in den Mittelpunkt: Enric Marco gab sich als KZ-Überlebender aus, bis sich 2005 herausstellte, dass seine Leidensgeschichte erlogen war. Schicht um Schicht legt Cercas die historischen, politischen und psychologischen Aspekte dieses Falls frei. Der Roman wurde 2016 mit dem Preis des Europäischen Buches ausgezeichnet. Zuletzt erschien der Kriminalroman »Terra Alta« (2019; dt. 2021). Der Titel bezeichnet eine Region im Nordosten Spaniens. Protagonist Melchor Marín, früher in der Unterwelt zu Hause, arbeitet dort als Polizist. Als sich ein brutaler Mord an einem Unternehmerpaar ereignet, aber alle Ermittlungen ins Leere laufen, versucht er den Fall auf eigene Faust zu lösen. Der Roman wurde mit dem Premio Planeta ausgezeichnet, dem höchstdotierten Literaturpreis in der spanischsprachigen Welt.
Javier Cercas lebt in Gerona.
El vientre de la ballena
Tusquets
Barcelona, 1997
Soldaten von Salamis
Berlin Verlag
Berlin, 2002
[Ü: Willi Zurbrüggen]
Der Mieter
Wagenbach
Berlin, 2003
[Ü: Willi Zurbrüggen]
La velocidad de la luz
Tusquets
Barcelona, 2005
Anatomie eines Augenblicks
S. Fischer
Frankfurt a. M., 2011
[Ü: Peter Kultzen]
Outlaws
S. Fischer
Frankfurt a.M., 2014
[Ü: Peter Kultzen]
Der falsche Überlebende
S. Fischer
Frankfurt a. M., 2017
[Ü: Peter Kultzen]
Terra Alta
S. Fischer
Frankfurt a. M., 2021
[Ü: Susanne Lange]