Burhan Sönmez
Der kurdisch-türkische Schriftsteller Burhan Sönmez wurde 1965 in Haymana in der Nähe von Ankara geboren, wo er auch aufwuchs. Sein Interesse an Literatur wurde früh durch seine Mutter geweckt, von klein auf sprach er Türkisch und Kurdisch. Sönmez schloss ein Jurastudium mit dem Bachelor ab und arbeitete einige Jahre in Istanbul als Rechtsanwalt. 1996 wurde er bei einem Übergriff durch die Polizei verletzt und erhielt Unterstützung von der britischen NGO »Freedom from Torture«, die ihm in London über lange Zeit medizinische Hilfe gewährte.
2009 erschien sein erster Roman »Kuzey« (Ü: Norden). Darin erzählt Sönmez die Geschichte eines jungen Mannes, dessen Vater verschwand, als er zwei Jahre alt war. Zwanzig Jahre später taucht der Leichnam des Vaters auf, und der junge Mann macht sich auf den Weg in den Norden, um das Geheimnis des Lebens und Sterbens seines Vaters zu ergründen. 2011 folgte Sönmez’ zweiter, teilweise autobiografischer Roman »Masumlar« (Ü: Die Unschuldigen). In einem Laden in Cambridge lernen sich zwei politische Flüchtlinge kennen: Brani Tawo, ein Kurde aus der Türkei, und Feruzeh, eine Iranerin. Sie entdecken ihre gemeinsame Liebe zur Literatur, und er erzählt ihr seine Familiengeschichte, die an alte Legenden erinnert: von Hirten, die vom Blitz getroffen werden, von Soldaten, die verletzt aus dem Krieg zurückkehren, von Blutfehden, die Familien auseinanderreißen. Durch die Liebe zu Feruzeh erlangt der düstere, melancholische Brani Tawo mit der Zeit ein Stück innerer Freiheit. Der Roman, der auch ins Englische, Italienische, Serbische und Mazedonische übersetzt und mit dem renommierten Sedat-Simavi-Preis ausgezeichnet wurde, lässt die Welt einer anatolischen Dorfgemeinschaft mit der Atmosphäre der englischen Wissenschaftsstadt verschmelzen. Sönmez’ jüngster Roman »Istanbul Istanbul« (2015; dt. 2017), der bislang in 15 Sprachen übersetzt wurde, »ist von der Struktur her wie Boccaccios ›Decameron‹ beschaffen und tritt vom Stoff her in die Fußstapfen von Italo Calvinos ›Unsichtbare Städte‹« (Serap Çakır). Er handelt von vier Gefangenen, die in Istanbul in einer Zelle eingesperrt sind. Als Überlebensstrategie erzählen sie sich Geschichten, in denen die Stadt am Bosporus, in deren Unterwelt sie gefangen sind, der Dreh- und Angelpunkt ist und die zeigen, dass Leid und Hoffnung innerhalb wie außerhalb der Gefängniszelle existieren.
Sönmez unterrichtete Literatur und Kreatives Schreiben an der Orta Doğu Teknik Üniversitesi (ODTÜ) in Ankara und schrieb Artikel über Literatur, Kultur und Politik für unabhängige linke Zeitungen in der Türkei. Außerdem übersetzte er Gedichte von William Blake (1757–1827) ins Türkische. Sönmez ist einer der Gründer der sozial und kulturell engagierten Organisation TAKSAV sowie Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Der Autor lebt in Istanbul und Cambridge.
Kuzey
İletişim Yayıncılık
Ankara, 2009
Masumlar
İletişim Yayıncılık
Ankara, 2011
Istanbul Istanbul
btb
München, 2017
[Ü: Sabine Adatepe]