Boubacar Boris Diop
- Senegal
- Zu Gast beim ilb: 2001
Boubacar Boris Diop wurde 1946 in Dakar, Senegal, geboren. Er ging auf eine französische Schule und schrieb noch vor dem Abitur über seine Erfahrungen mit dem Rassismus einen Roman, der allerdings nie publiziert wurde. Mit 20 wählte er sich seinen zweiten Vornamen nach dem Vorbild einer Romanfigur Sartres. Nach dem Literatur- und Philosophiestudium erhielt er eine Stelle als Gymnasiallehrer in Saint-Louis, im Norden Senegals. Hier beschäftigte er sich mit den marxistischen Theorien und gründete einen anti-kolonialistischen Club, der unter anderem Tanzabende, »bals rouges«, mit politischen Vorträgen veranstaltete. 1981 veröffentlichte Diop seinen ersten Roman, »Le temps de Tamango«, der mit dem Prix du Bureau Sénégalais du Droit d’Auteur ausgezeichnet wurde. In der Folge wendete er sich dem Journalismus zu, arbeitete für senegalesische Tageszeitungen und Radiostationen und verfaßte, neben weiteren Romanen, Theaterstücke, Drehbücher, Erzählungen und literaturkritische Aufsätze. Für seinen zweiten Roman, »Les tambours de la mémoire« von 1990, erhielt Diop den Grand prix de la République du Sénégal pour les Lettres.
Auf Initiative der Journalisten Nocky Djedanoum und Maimouna Coulibaly, begab sich Diop 1998 für zwei Monate nach Kigali, um dort zusammen mit anderen Künstlern an dem Projekt »Rwanda: écrire par devoir de mémoire« teilzunehmen. Auf der Grundlage von Gesprächen mit den Überlebenden des Genozids an den Tutsis, bei dem 1994 fast eine Million Menschen getötet wurden, entstand Diops Roman, »Murambi, le livre des ossements«.
Geprägt von den afrikanischen Legenden, deren Authentizität seine Mutter rituell behauptet hatte, präsentiert Diop in seinem Werk eine genuine Verknüpfung von afrikanischen und europäischen Erzähltraditionen, die mit der Gattungsbezeichnung Roman nur unzureichend beschrieben ist. Thematisch kreisen seine Werke immer wieder um die Frage nach der Manipulierbarkeit von Geschichte durch Mythos. Die Behauptung, daß zwischen Realität und Fiktion nicht sauber zu trennen sei, schlägt sich formal in einer komplexen Struktur von Zeitebenen und Erzählsträngen nieder. Dies gilt jedoch nicht für »Murambi«. »Ich habe meinen Roman so einfach wie möglich geschrieben, indem ich mich um formale Kunststücke, um Ästhetik, um Besonderheiten in der Erzählweise nicht gekümmert habe«, so Diop in einem Interview. »Ich möchte, daß die jungen Leute ihn lesen, verstehen und über ihn diskutieren können.«
Weil er einerseits an die magische Kraft des Symbolischen glaubt, dem Leser aber andererseits die Flucht in die Gewißheit, die Darstellung sei überzogen, nicht ermöglichen will, hat Diop nur solche Berichte in seinen Roman übernommen, deren Wahrheitsgehalt ihm von anderer Seite bestätigt wurde. Denn das eigentliche Problem in der Aufarbeitung des Völkermords liegt dem Autor zufolge nicht so sehr darin, Worte zu finden, sondern in dem drohenden Verdacht der Außenstehenden, die Überlebenden könnten übertreiben.
Der Autor lebt in Dakar und schreibt seit einigen Jahren auch für die Neue Zürcher Zeitung. Zuletzt veröffentlichte er den Roman »Kaveena« (2006) und die Essaysammlung »L’Afrique au-delà du miroir« (2007).
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