Boualem Sansal
Boualem Sansal wurde 1949 im algerischen Téniet el Had geboren. Als hoher Beamter im Industrieministerium tätig, begann der promovierte Ökonom und Ingenieur unter dem Eindruck der Ermordung des Präsidenten Boudiaf 1992 und der zunehmenden Islamisierung erst spät zu schreiben.
Mit fünfzig Jahren debütierte er mit »Le serment des barbares« (1999; dt. »Der Schwur der Barbaren«, 1999). Der Roman wurde in Frankreich veröffentlicht und der Autor wegen seines spielerischen Umgangs mit dem Französischen als Spracherneuerer von der Presse gefeiert. In seinem Heimatland hingegen wird er aufgrund der politisch explosiven Themen seiner satirischen und zugleich poetischen Romane als Nestbeschmutzer geschmäht. 2003 wurde er wegen seiner kritischen Haltung aus dem Staatsdienst entlassen. Sein Essay »Poste restante: Alger. Lettre de colère et d’espoir à mes compatriotes« (2006; dt. »Postlagernd: Algier – Zorniger und hoffnungsvoller Brief an meine Landsleute«, 2008) wurde in Algerien verboten. Dennoch lebt der Autor mit seiner Familie weiterhin in Boumerdès bei Algier, veröffentlicht ohne den Schutz eines Pseudonyms und greift immer wieder in aktuelle politische Debatten ein − wie zuletzt mit seinem Widerspruch gegen Bernard-Henri Lévy, das militärische Eingreifen in den Bürgerkrieg in Libyen 2011 betreffend. Sansal weist den Algeriern, die es als Nation erst seit der Unabhängigkeit von 1962 gibt, in seinen Romanen mögliche Wege zu einer eigenen Identität. Der Titel des Romans »L’enfant fou de l’arbre creux« (2000; dt. »Das verrückte Kind aus dem hohlen Baum«, 2002) hat diesbezüglich symbolischen Charakter: Das Kind, das im Hof eines Zuchthauses angebunden ist, steht laut Sansal für das algerische Volk in »diesem riesigen Gefängnis Algerien. Ein infantilisiertes Volk, verblendet, durch Lügen gefesselt. Es ist an einen Punkt gekommen, an dem es weder weiß, wer es ist, woher es kommt noch was es will.« Die Heiterkeit seiner Romane spricht für Sansals Glauben an Algeriens Zukunft, für die »Dis-moi le paradis« (2003; dt. »Erzähl mir vom Paradies«, 2004) einen ersten Entwurf darstellt. Auch »Harraga« (2005; dt. 2007), eine Hommage an die Frauen Algeriens, birgt Hoffnung trotz aller Tragik. Nach dem Roman »Le village de l’allemand« (2008; dt. »Das Dorf des Deutschen«, 2009), der die Beteiligung ehemaliger, als Ausbilder eingesetzter Nationalsozialisten am algerischen Befreiungskampf thematisiert, sowie einem Essay über den globalen Siegeszug des Islamismus veröffentlichte Sansal zuletzt u. a. den Roman »2084. La Fin du monde« (2015; Ü: 2084. Das Ende der Welt).
Zu den zahlreichen Auszeichnungen für sein literarisches Werk gehören der Prix du Premier Roman, der Prix Tropiques und der Prix Michel Dard. 2008 wurde Sandaal mit dem Grand Prix de la francophonie und dem Prix Nessim Habif gewürdigt, 2011 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, Sansals jüngster Roman wurde 2015 mit dem Grand Prix du Roman der Académie Française ausgezeichnet.
Das verrückte Kind aus dem hohlen Baum
Merlin
Gifkendorf, 2002
[Ü: Riek Walther]
Harraga
Merlin
Gifkendorf, 2007
[Ü: Riek Walther]
Das Dorf des Deutschen
oder Das Tagebuch der Brüder Schiller
Merlin
Gifkendorf, 2009
[Ü: Ulrich Zieger]
Rue Darwin
Merlin
Gifkendorf, 2012
[Ü: Christiane Kayser]
2084
Das Ende der Welt
Merlin
Gifkendorf, 2016
[Ü: Vincent von Wroblewsky]