Boniface Mongo-Mboussa
- CD
- Zu Gast beim ilb: 2002
Die afrikanische Literatur – soweit sie in Europa überhaupt bekannt ist – hat eine problemträchtige Vergangenheit: Entstanden im Zeichen eines inhumanen Kolonialismus, geschrieben in den Sprachen der kolonisierenden Mächte, haften ihr bis heute die Spuren ihrer Vergangenheit nur allzu sichtbar an. Afrikanische Erzähler verfassen Geschichten, die für hiesige Leser oftmals schwer zu verstehen sind, Dichter benutzen poetische Bilder, deren Sinn sich hier nur schwer erschließt. Und doch schreiben sie auch und vor allem für ein europäisches Publikum: denn ihre Bücher werden in Paris oder London verlegt und sind in der Regel zu teuer, als dass sie in den Buchhandlungen afrikanischer Städte von größeren Teilen der Bevölkerung gekauft werden könnten. Von diesen und anderen Problemen, aber auch von der immer größer werdenden Faszination, die von der afrikanischen Literatur ausgeht, handelt „Désir d’Afrique“, ein Buch des 1962 geborenen kongolesischen Literaturwissenschaftlers und -kritikers Boniface Mongo-Mboussa . 1999 an der Universität von Cergy-Pontoise bei Bernard Mouralis, einem der renommiertesten Afrika-Literaturwissenschaftler promoviert, hat Mongo-Mboussa unter anderem an der Columbia University of Paris unterrichtet, einem französischen Ableger der amerikanischen Elite-Hochschule: „Es ist schwer für schwarze frankophone Intellektuelle, eine Stellung an französischen Universitäten zu finden. Ich werde also von einer amerikanischen Universität bezahlt, um amerikanischen Studenten in Paris die schwarze Literatur beizubringen.“ Heute ist er vor allem verantwortlich für die Literaturkritik in der Zeitschrift „Africultures“, die – selbstverständlich in Paris herausgegeben – das kreative Schaffen eines Kontinents unter eine gleichermaßen wohlwollende wie kritische Lupe nimmt. Mongo-Mboussas Darstellung als schlichte Literaturgeschichte zu bezeichnen, würde in die Irre führen, denn sie ist mehr: eine mehrstimmige, selbstbewußt hybride Mischung aus Interviews mit bekannten Autoren (darunter Wole Soyinka, Mongo Beti, Ken Bugul und Véronique Tadjo), Beiträgen europäischer Literaturwissenschaftler (darunter ein Text seines Doktorvaters über Europa, Afrika und den Wahnsinn) sowie eigenen essayistischen Reflexionen über die Folgen der „Négritude“ oder den Bürgerkrieg in Ruanda – ein „happening“ nannte es der Kritiker von „Le Monde“. Ahmadou Kourouma, der in Frankreich aktuell bekannteste Schriftsteller Afrikas, hat hierzu ein Vorwort geliefert, der togolesische Soziologe Sami Tchak ein Nachwort. Mit diesem Buch hat sich Mongo-Mboussa – wie einer der Jungstars der zeitgenössischen afrikanischen Literatur französischer Sprache, der in Djibouti geborene, aber schon seit langem im französischen Caen lebende Abdourahman A. Waberi schreibt – als der Kritiker dieser neuen Generation etabliert, die, ebenso wenig wie ihre Vorgänger, zwischen den Kontinenten zur Ruhe kommt. So bleiben am Ende unweigerlich die Lust auf, das Verlangen nach dem Heimatkontinent: „Désir d’Afrique“.
Dirk Naguschewski
© internationales literaturfestival berlin
Désir d´Afrique
Gallimard
Paris, 2001
Masculin féminin
L’Harmattan
Paris, 2001
Les Mots en partage
Acoria
Paris, 2001
La colonie revisitée
L’Harmattan
Paris, 2001
Désir d’Afrique
Gallimard
Paris, 2002
Griot réel, griot rêvé
L’Harmattan
Paris, 2004
L´indocilité: Supplément au Désir d´Afrique
Gallimard
Paris, 2005
Afrique rose
L’Harmattan
Paris, 2005
Inyenzi ou les cafards
Gallimard
Paris, 2006
Übersetzer: Dirk Naguschewski