Der peruanische Dichter und Romancier Antonio Cisneros wurde 1942 in Lima geboren, wo er in den Jahren 1960 bis 1964 Literaturwissenschaft an der „Katholischen Universität“ und der „San Marcos Universität“ studierte und 1974 promovierte. Bereits in den ersten Jahren seines Studiums begann Cisneros mit großem Erfolg seine Gedichte zu veröffentlichen. 1961 erschien der Band „Destierro“ (Landesverweisung), der heute zu den Klassikern der lateinamerikanischen Lyrik gezählt wird. Anfangs noch unter deutlichem Einfluss der angloamerikanischen Beat-Literatur stehend, deren ironische Gesten und umgangsprachlicher Ton ihn inspirierten, wandte er sich später verstärkt politischen Themen zu, um, wie er betont, der zunehmenden politischen Gleichgültigkeit in der lateinamerikanischen Gesellschaft entgegenzuwirken. Gegen die offizielle Geschichtsfälschung in seinem Land richtete sich der mit dem „Nationalpreis für Literatur“ ausgezeichnete Band „Comentarios reales de Antonio Cisneros“ (Wahrhaftige Kommentare von Antonio Cisneros). Der beziehungsreiche Titel spielt auf das Werk des ersten kastilisch schreibenden peruanischen Dichters Garcilaso de La Vega an, auch „El Inca“ genannt, der in seinen „Comenatarios reales“ den Versuch unternimmt, den spanischen Eroberern die wahre Geschichte seines Heimatlandes nahezubringen. Seinen bis dahin größten Erfolg feierte Cisneros 1968 mit dem Band „Canto ceremonial contra un oso hormiguero“ (Zeremonieller Gesang gegen einen Ameisenbären), für den er in Havanna mit dem Preis des „Casa de las Américas“ ausgezeichnet wurde. Auch dieser Band ist bestimmt von der Auseinandersetzung mit den sozialen Problemen seiner Zeit, wobei seine elaborierten Sprachspiele und intertextuellen Bezüge die künstliche Unterscheidung zwischen „reiner“ und „sozialer“ Poesie immer wieder in Frage stellt. Unter dem Eindruck erster politischer Rückschläge des Sozialismus in Lateinamerika und einer privaten Krise entstand 1972 in Nizza „Como higuera en un campo de golf“ (Wie ein Feigenbaum auf einem Golfplatz), ein Band, der den persönlichen Schmerz als Ausgangspunkt für die kritischen Betrachtungen der eigenen Zeit voranstellt. „Die Poesie an sich lässt sich keinem Zweck unterwerfen. Sie ist vielmehr eine Art der Erkenntnis, aber der Erkenntnis deiner Selbst, und das schließlich ist es, was du den anderen mitteilst, zusammen mit den sozialen und politischen Unruhen deiner Zeit.“ Seit Ende der sechziger Jahre hat Antonio Cisneros zahlreiche Lehraufträge an internationalen Universitäten wahrgenommen, so in Southampton, Nizza, Budapest und Virginia. Darüber hinaus wurden ihm durch Stipendien längere Aufenthalte in Paris, London und Berlin ermöglicht. Die durch diese Reisen gewonnenen Erfahrungen prägen das spätere Werk des Autors, der mittlerweile fast zwanzig in fünf Sprachen übersetzte Lyrikbände und zwei Prosawerke veröffentlicht hat. Im Jahr 2000 erhielt Cisneros in Mexiko den internationalen „Gabriela Mistral-Preis“ für sein Gesamtwerk. Der Autor lebt und arbeitet heute in Lima, wo er seit 1996 die tägliche Radiosendung „La Crónica del oso hormiguero“ leitet.
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