Andrij Bondar
- Ukraine
- Zu Gast beim ilb: 2007
Andrij Bondar wurde 1974 im ukrainischen Kamjanez-Podilskyj geboren. Er studierte an der Nationalen Universität Kiew-Mohyla Geschichte und Literaturtheorie und gewann mit 22 Jahren den vom Verlagshaus Smoloskyp ausgeschriebenen Literaturwettbewerb für junge Autoren. Wenig später publizierte er seinen ersten Gedichtband »Vesinnja jeres« (1998; Ü: Frühlingshäresie), dem 2001 »Istyna i med« (Ü: Wahrheit und Honig) folgte. Als Journalist schrieb Bondar für die »Hazeta po-ukrainsky« und die »Frankfurter Allgemeine Zeitung«. Inzwischen arbeitet er als Redakteur der Wochenzeitung »Dzerkalo tyzhnia«, für die er eine mehrfach ausgezeichnete Kolumne verfasst.
Bondars frühe Lyrik knüpft an die Traditionen der ukrainischen Moderne an, die als Nationalliteratur von den Zaren unterdrückt worden war und durch die Doktrin des sozialistischen Realismus in ihrer Entwicklung gehemmt wurde. Doch es finden sich nicht nur Einflüsse des im selben Ort geborenen ukrainischen Dichters Mykola Bazhan, sondern auch Anklänge an internationale Größen wie García Lorca und e.e. cummings. Im Nachwort der von Hans Thill herausgegebenen Anthologie »Vorwärts ihr Kampfschildkröten. Gedichte aus der Ukraine« (2006) beschreibt Stefaniya Ptashnyk Bondars frühe Gedichte als »voller lyrischer Meditationen und rührender Im pr essionen. Augenfällig für seine poetische Vorgehensweise sind zahlreiche S pr achexperimente, ausgefeilte Wortspiele, Verwendung einer raren Lexik, Akzentuierung der S pr achmelodie, Alliterationen sowie eine raffinierte Metaphorik.«
Im Jahr der Orangenen Revolution erschien Bondars letzter Gedichtband, »Prymityvni formy vlasnosti« (2004; Ü: Einfache Formen des Besitzes). Der Dichter erlebte die Wochen des Protests als Verschwinden der »grimmigen ukrainischen Vorliebe für Martyrium und Nekrophilie, einen langweiligen Ernst und die Selbstbeweihräucherung«. Auch sein lyrischer Ton hatte sich inzwischen zugunsten von ironischen und selbstkritischen Alltagsbetrachtungen geändert. »Ich kann es mir nicht mehr erlauben, in Metaphern zu schreiben / mit der Tradition zu spielen und über Schnecken zu schreiben / vielleicht hast du Recht und die Dichtkunst ist in mir gestorben / (Ach du lieber Gott, schon wieder eine Metapher) und ich bin kein Dichter mehr«.
Bondars Gedichte wurden u.a. von Oskar Pastior und Joachim Sartorius ins Deutsche übertragen. Er selbst trat auch als Übersetzer von Witold Gombrowiczs Roman »Ferdydurke« hervor. 2006 ging er als Teilnehmer des Literatur pr ojekts »Potyah 76« (Zug 76) auf eine europäische Lesereise. Der Autor lebt in Vorzel, einem Vorort von Kiew.
© internationales literaturfestival berlin
Vesinnja jeres
Smoloskyp
Kiew, 1998
Prymityvni formy vlasnosti
Piramida
Lviv, 2004
Vorwärts, ihr Kampfschildkröten
[Hg. Hans Thill]
Wunderhorn
Heidelberg, 2006
[Ü: Michael Donhauser, Oskar Pastior, Joachim Sartorius, Hans Thill, Anja Utler]
Übersetzer: Michael Donhauser, Oskar Pastior, Joachim Sartorius, Hans Thill, Anja Utler