Ana Maria Machado, geboren 1941 in Rio de Janeiro, ist neben Lygia Bojunga und Ruth Rocha eine der bedeutendsten Kinderbuchautorinnen Brasiliens. Sie begann ihre Karriere als Malerin in Rio de Janeiro und New York. Nach einem weiteren Abschlußss in Romanischen Sprachen promovierte sie bei Roland Barthes an der „Ecole Pratique des Hautes Etudes” in Paris. Sie arbeitete als Journalistin für das Magazin ELLE in Paris und den BBC in London. 1979 eröffnete sie die erste Buchhandlung Brasiliens für Kinderliteratur, „Malasartes”.
1969 begann Ana Maria Machado zu schreiben. „Ich gehöre jener Generation von Schriftstellern an, die während der Militärdiktatur zu schreiben begann, als Kinderliteratur neben Lyrik und Liedertexten eine der wenigen literarischen Formen war, die es ermöglichte durch die poetische und symbolische Verwendung von Sprache, den Ideen der Lebensfreude, individueller Freiheit und Achtung der Menschenrechte Gehör zu verschaffen.” Ihre vielfach prämierte Geschichte „Menina Bonita do laco de fita“ (1997) über einen weißen und einen schwarzen Hasen, die heiraten und eine ganze Schar von schwarzen, weißen und schwarz-weiß-gemusterten Kindern bekommen, ist ein charmantes Buch über ethnische Vielfalt und das Miteinander unterschiedlicher Hautfarben. In „Era uma vez um tirano“ (dt. „Der Regenbogen oder wie die Kinder den Tyrannen vertrieben”, 1989) trotzen drei Kinder einem Tyrannen, der Farben, Gedanken und alle Lebensfreude verboten hat. Ohne erhobenen Zeigefinger kleidet Ana Maria Machado ihre Botschaften in humorvolle Geschichten und vertraut auf die Fähigkeit ihrer jungen Leser, auch zwischen den Zeilen zu lesen.
Nie gewinnt die gesellschaftliche Verpflichtung dabei Oberhand über die hohe artistische Qualität ihrer Sprache. Wie viele brasilianische Kinderbuchautoren ihrer Generation steht Ana Maria Machado in der Tradition des ersten großen Kinderbuchautors Brasiliens, José Bento Monteiro Lobatos (1882-1948). Ihr Schreiben kennzeichnet, im Stil des „magischen Realismus“, eine subtile Mischung aus sozialer Satire und phantastischen Elementen sowie ein bewusster und spielerischer Umgang mit Sprache und Erzählstrukturen. In „História meio ao contrario“ (1978) stellt Ana Maria Machado die klassische Erzählstruktur von Märchen auf den Kopf und lässt ihre Geschichte mit „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute” beginnen und mit „Es war einmal” enden.
In „Bisa Bia Bisa Bel“ (dt. „Bisa Bia Bisa Bel“, 1988), einem ihrer zentralen Werke, wird Isabells inneres Zwiegespräch mit ihrer verstorbenen Urgroßmutter, Bisa Bia, und ihrer eigenen Urenkelin aus der Zukunft, Bisa Bel, zu einer magischen Reise zu den unsichtbaren Verbindungen zwischen den Generationen, die Isabell schließlich ihren eigenen Weg finden lassen. Phantasie bedeutet für die Autorin auch, den Sinn für Raum und Zeit zu dehnen, Wirkliches und Irreales miteinander verschmelzen zu lassen.
Ebenso brillant erzählt Machado in ihrem jüngsten Buch „Palavra de Honra“ (2005; Ü: Ehrenwort) die Geschichte einer luso-brasilianischen Familie seit ihrer Ankunft im 19. Jahrhundert, die es zu enormem Reichtum brachte. Dabei begegnet der Leser Letícia, die aus den verstreuten Resten des Familienerbes ihre eigene Geschichte zu rekonstruieren versucht.
Ana Maria Machado hat mehr als 100 Bücher für Kinder und Erwachsene in 17 Ländern veröffentlicht, für die sie die bedeutendsten Auszeichnungen Brasiliens und eine Vielzahl internationaler Ehrungen erhielt. Im Jahr 2000 wurde ihr der renommierte Hans Christian Andersen Award, der bedeutendste internationale Preis für Kinder- und Jugendliteratur, für ihr Lebenswerk verliehen. Ana Maria Machado lebt mit ihrer Familie in Rio de Janeiro.
© internationales literaturfestival berlin